40.000 km.   8 Monate.   1 Motorrad.

Teil 6: Paraguay
Ciudad del Este -> Asuncion
Do. 02.04. - Mo. 06.04.2015
350 km

Bild
Quelle: Google Maps

(Do) 02.04.2015 --- Foz de Iguacu -> Asuncion/Paraguay
Einreise Paraguay über die Verbindungsbrücke zwischen Foz de Iguacu/Brasilien und Ciudad Del Este/Paraguay. Chaos auf allen Spuren. Schlepper für Duty Free springen im laufenden Verkehr rum. Fahre durch die Moto Spur und verpasse fasst die Brasilianische Grenzkontrolle (Migration) weil die Einheimischen nur mit Identkarte über die Grenze wechseln. Ich halte an einer Polizeikontrolle, darf das Motorrad dort parken (gut beschützt) und die 100 m zurück gehen. In Paraguay kommen sofort Grenzhelfer, Schlepper, Geldwechsler, fliegende Händler und Werber auf mich zugestürmt. Man muss sich konzentrieren und alle höflich abwimmeln, darf nicht den überblick zu verlieren und vielleicht den Motorradschlüssel oder das Navi stecken lassen. Jemand macht Werbung. Junge Damen in kurzen Röcken verteilen Blumen. Und Werbung heißt hier immer mit sehr lauter Musik bis an die Dröhngrenze. Und das Mitten in der Grenzstation. Es sind morgens schon 32 Grad und ich bin froh als ich aus der Stadt raus bin. Dabei stelle ich fest, dass ich einen Zeitsprung gemacht habe und die letzte Stunde nochmal abarbeiten muss.

Unterwegs sehe ich alles von der Plastikplane, unter der eine Famlie lebt über die 20 Quadratmeter-Einzimmer-Holzhütte in bunter Bemalung bis zu Luxusvillen mit riesigen Gartenanlagen und ohne die übliche Fünf Meter Mauer mit Stacheldraht und Glasscherben auf der Mauerkrone. Das übliche Fortbewegungsmittel für die einfachen Leute ist ein Moped - hier meist bis 200 ccm. Damit wird alles abgewickelt: Einkauf. Lieferung. Transport. Ausflug. Mit zwei, drei, vier Personen und mehr. Mutter mit Säugling links im Arm und Gas geben mit rechts. Kinder auf dem Tank. Und ein Schwein überholt mich auch - festgeschnallt auf dem Gepäckträger. Alle Fahrer oder Beifahrer in landestypischer Schutzkleidung: T-Shirt, Short, FlipFlop. Oft in Neonfarben, damit man die Unfallopfer besser unter dem Lastwagen findet. Und natürlich ohne Helm. Meist mit 80, 90, 100 km/h und auf dem Seitenstreifen. Bei meinem ersten Stop an einer Tanke holen sich die Mopeds für 10.000 Guaraní (1,90 Euro) Sprit. Im Hintergrund steht ein Wachposten in Zivil mit Pumpgun vor der Brust. Na toll. Wenn der losballert, legt er die Tankstelle in Schutt und Asche.

Es sind auch auffallend viele Luxusautos unterwegs, manche davon in Guard Ausstattung: Mercedes verdient sich hier dumm und dämlich. Ganz gefährlich ist es, zu nah hinter einem Auto zu fahren. Falls ein Schlagloch kommt, sieht man es zu spät und kracht voll rein. Es gibt aber auch positive Schlaglöcher. Der warme Teer wird von den LKW aufgeworfen. Manchmal um 20 cm. Meist in der Mitte der Fahrbahn. Wie ein Maulwurfshügel. Auch da sollte man nicht drüber fahren.

Kurzer Stop an einer weiteren Tankstelle. Der Chef begrüßt mich persönlich und zeigt mir, wo ich Kaffee und Wasser bekommen kann. Er freut sich über den Besuch aus Alemannia (er ist einer der wenigen in den letzten Monaten, der das Nummernschild und das Nationalitäten-"D" richtig erkannt hat). Ich sitze vor der Cafeteria, als mich ein Mann anspricht. Brasilianer. Motorradfahrer. BMW F800GS. Ich erzähle auf Spanisch und Englisch von meiner Reise. Plötzlich holt er sein Telefon raus, sagt "Mein Deutscher Amigo" und gibt mir sein Telefon. Ich unterhalte mich gut 15 Minuten mit Frederico aus Asuncion, ebenfalls Motorradfahrer und Kenner der Motorradscene. Er kennt sogar Martin und Melanie, die ich vor 5 Wochen in Feuerland kennengelernt hatte. Er gibt mir noch einige Tips für die weitere Reise. Toll, wie hier die Motorradfahrer zusammenhalten und sich unterstützen. Man wird auch Überall angesprochen. Vor einigen Wochen stand ich mal kurz an einer Kreuzung und programmierte das Navi. Da stoppte ein Argentinier hinter mir und fragte, ob ich in seinem Moto-Club (er zeigt auf sein T-Shirt) übernachten möchte. Nur 20 km. Er begleitet mich hin. Leider hatte ich an dem Tag schon ein Hotel vorgebucht. Und bei uns in Deutschland grüßen sich die Motorradfahrer nur noch selten ...

Komme nach rund 350 km gegen 16:00 Uhr in Ascuncion an. Die Stadt ist wie ausgestorben. Aber auf der Ausfallstrasse fast schon Stau. Alle fahren aufs Land zum Osterurlaub. Blöd ist in Lateinamerikanischen Städten, das man am Abend nicht bummeln kann, weil vor allen Läden Blechverkleidungen oder Jalousien oder Gitter sind. Das reservierte Hotel entspricht den Erwartungen: Zu teuer und zu alt ... und auf dem Sofa im Eingangsbereich lümmelt sich schon eine große Kakerlake. Fällt aber kaum auf, weil Kakerlake und der Sofabezug die gleiche Farbe haben. Gaby sagt, ich soll sie in Ruhe lassen - sie hat Hausrecht und wohnt da.

Das Motorrad parke ich drei Häuser weiter in einer Garage. Da sitzt dann tatsächlich jemand die ganze Nacht und passt auf das Motorrad und etwa zehn Autos auf. Das Security Gewerbe ist hier in Südamerika ein florierendes Geschäft. Beim Abendessen steht ein Wachmann in Zivil vor dem Lokal und beobachtet alles. Er hat eine wunderschöne .357-Smith&Wesson mit Holzgriffschalen umgeschnallt. Ein anderer Wachmann hat sich ein Messer ala "Crocodile Dundee" umgeschnallt. Auch sehr eindrucksvoll. Und bei mir im Hotel sitzt vor der Rezeption ein etwa 20-jähriger Bengel mit ´nem 38er-Colt in Edelstahl. Das ist für mich als Europäer ziemlich befremdlich, das Waffen von Zivilpersonen offen getragen werden.

Paraguay - mein fünftes Land auf dieser Reise, aber wieder anders als die anderen davor ...

(Fr) 02.04. bis (Mo) 06.04.2015 --- Asuncion.
Morgens schon wieder reichlich Temperatur. Ich mache heute einen ruhigen Feiertag (Karfreitag) und laufe in der ausgestorbenen Altstadt herum. Ich sehe mir das Pantheon de los Heroes (Tempel der Kriegshelden), die Estacion Central del Ferrocarril (Bahnhof), die Catedral Metropolitana (Kathedrale), Palacio de Gobierno (Regierungspalast), Cabildo (Rathaus) und das Palacio Legislativo (Nationalkongress) an. Gegenüber von Nationalkongress ein übles Elendsviertel mit zugemüllten Bretterbuden. Über allem hängt der strenge Geruch von Urin. Da geh ich lieber nicht durch.

Am Präsidentenpalast bekomme ich mal wieder einen Trillerpfeifen-Anschiss von einem Uniformträger, weil ich zu nah an den Absperrzaun getreten bin. In der Altstadt gibt es noch Fütterung und ein Bier gegen die Mittagshitze. Überall ist hohe Polizeipräsenz. Ist es hier so gefährlich? Oder ist es hier deswegen so sicher? Die Frage habe ich mir in Südamerika schon öfters gesetell. Ich habe vor einigen Jahren bereits einen Raub live in Guayaquil/Ecuador miterlebt. Und dort standen wirklich alle hundert Meter Polizisten. Wir haben einen Riesen Schrecken bekommen ... Und die Polizisten einen ziemlich heftigen Einlauf vom Chef. Und die geraubte Kamera ist tatsächlich nach einigen Wochen sichergestellt und zurück gegeben worden.

Samstag und Sonntag bleibe ich im Hotel, denn ich muß die weitere Route planen. Es soll ja in einigen Tagen ins bolivianische Hochland gehen. Da muss ich mich erst einmal einlesen, was mich alles erwartet, wie der Grenzübertritt erfolgt, wo man Geld bekommt, ob ich in den Städten gen&uum;gend Hotels oder Hostals finde, Tanken, Sicherheitslage, Sehenswertes, usw. Langsam bekommt man zwar eine gewisse Routine, aber alles ist trotzdem zeitaufwändig und ohne PC und Internet nicht zu lösen. Ich habe z.B. keine Straßenkarte von Bolivien (und die ist auch nicht zu bekommen). Also muss man sich alles mühsam mit dem PC, Google Maps, Open Street Map und von Internetseiten zusammen suchen. Und das Navi muss ich vorprogrammieren und testen, da einige Länder (darunter Bolivien) von der Garmin-Karte Südamerika nicht abegedeckt werden. Es bleibt immer was zu tun ...

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Habe seit dem Tankstellen-Stop am Donnerstag Kontakt mit Friedhelm Angersbach. Er ist vor vielen Jahren Ausgewandert, begeisterter Motorradfahrer (HPN) und hilft mir bei einigen organisatorischen Dingen. Ich werde hier die schon 2.000 km überfällige Inspektion und Ölwechsel vornehmen lassen und prüfen lassen, warum das Motorrad manchmal schlecht Gas annimmt. Denn in den nächsten Tagen steht nochmals eine Langsgtrecken-Wüstendurchquerung ("Chaco Austral") von rund 700 km auf dem Plan, bevor es dann in die Berge nach Salta geht. Und die BMW Werkstatt in Salta hat in vier Wochen Mailkontakt nichts auf die Reihe gebracht. Die waren nicht mal in der Lage, meine Mails zu beantworten. Schade BMW ...

Da ich mit meinen Reifen auch kein Risiko - speziell in Bolivien - eingehen möchte, werden sie auch gleich gewechselt, obwohl sie noch für 5.000 km gut wären. Zur Zeit habe ich Reifen aus dem Reifenwerk-Heidenau, Sachsen aufgezogen. Nächster Reifenhändler mit Heidenau-Reifen wäre wieder in Lima/Peru ... und das ist etwas knapp. Die Reifen haben sich auf dem bisherigen Teil der Reise absolut bewährt, sind hier aber leider nicht überall zu bekommen. Also muss ich auf eine andere Marke wechseln. Mitnehmen und unterwegs wechseln will ich eigentlich nicht. Also steht am (Oster)Montag ein Werkstatttag an.

Webseite von Friedhelm Angersbach, Paraguay Motos, Asuncion
Auch an dieser Stelle Herzlichen Dank für Deine Unterstützung, "Frederico"

Semana Santa (Heilige Osterwoche) ist heute am Montag beendet. Bin nach Anmeldung von Friedhelm bei BMW in Asuncion aufgelaufen. Motorrad wurde zügig angenommen und stand schon kurze Zeit später auf der Bühne. Konnte mich mit dem Chefverkäufer gut auf Englisch unterhalten. Und die am Osterwochenende bereits vorbestellten Reifen werden auch im Laufe des Vormittags von einem anderen Händler geliefert. Alles läuft gut - oder wie Friedhelm anmerkte: Weltreisende werden bevorzugt bedient. Wenn dann am Nachmittag alles fertig ist, kann morgen der nächste Teil der Tour beginnen.

Stehe jetzt aber vor dem Dilemma, das wieder tolle Strecken und Landschaften warten, ich aber eigentlich nicht mehr die Zeit habe, um alles in Ruhe aufzunehmen. Vor einigen Wochen hat mich ´Evaristo´ aus Paraguay über meine Webseite angemailt und genau das vorhergesagt. Man kann mehrere Jahre nur in Südamerika verbringen und hat dann immer noch nicht alles gesehen. Vielleicht habe ich irgendwo auch getrödelt. Auf jeden Fall hat der Abstecher nach Brasilien und die Erkrankung einiges an Zeit gekostet.

Werde als nächstes in Etappen bis Salta/Argentinien fahren. Dort geht es dann hoch in die Berge (Stresstest für die Kleine) und weiter nach Bolivien. In Bolivien werde ich mir nur einen Tag im Salzhotel am Salar de Uyuni gönnen. Ich wollte eine geführte Tour mit dem Jeep machen. Die dauert aber 3-4 Tage. Fällt aus. Und vom alleine auf den See fahren, hat man mir sowieso abgeraten. Wäre zum Zelten mal spannend gewesen bei Nachtemperaturen von -20 Grad Celsius. Vielleichtz sehe ich den spektakulären Nachthimmel auch im Salzhotel. Und dann hoffe ich, dass ich keine Höhen-Anpassungsschwierigkeiten habe, denn dann muss ich wieder tiefer und warten. Ich hatte schon mal Probleme mit der Höhenkrankheit in Ecuador (auf 3.800 m) mit Atemnot in der Nacht heftigen Kopfschmerzen. Nicht Lustig!

Und bei allem muss ich auf mein Herz hören und bei größeren medizinischen Problemen die Notbremse ziehen. Wenn gar nichts geht, müsste ich nach Chile zurück und das Motorrad von Valparaiso wieder nach Hause zurück schicken (Option 1).

Vom Zeitplan her wollte ich am 15.05. in Mexico sein, denn dann läuft auch meine Versicherung aus. Da sie für Kolumbien und Mexiko nicht mehr gilt, muss ich dort an den Grenzen sowieso eine neue Police kaufen. Am 01.06. wollte ich in die USA einreisen (und wenn es der 15.06 wird, ist auch noch nicht schlimm). Dann hätte ich noch gut 3 Monate für Canada und Alaska. Abschließend muss ich dann Canada von West nach Ost queren, um zum Endpunkt Halifax zu kommen, wo das Motorrad wieder verladen werden soll.

Mal Rechnen ...
Argentinien Nord 1.800 km (8 Tage + Salta)
Bolivien 1.400 km (8 Tage + Uyuni)
Peru 2.800 km (10 Tage + Machu Pichu)
Ecuador 1.200 km (6 Tage + Cuenca)
Kolumbien 1.600 km (7 Tage + Cartagena + Fährabfertigung)
Fähre Cartagena-Panama (2 Tage)
Panama bis Guatemala 2.200 km (8 Tage + 3 Ruhetage Costa Rica)
Mexico bis Tijuana 4.000 km (12 Tage + Oachaca + 2 Ruhetage Baja)
San Diego bis Seattle 2.000 km (8 Tage + Death Valley/Las Vegas/Josemite)
Vancouver bis Fairbanks 3.500 km (10 Tage + Jasper/Banff oder Vancouver Island + Inside Passage)
Fairbanks bis Calgary 3.500 km (10 Tage)
Calgary bis Halifax 5.000 km (15 Tage + Yellowstone + 1 Woche Versandabwicklung)
... sind noch 29.000 km und bis Mitte September 160 Tage.

(Zum Vergleich: Ich bin bisher 12.000 km in 80 Tagen gefahren und hatte darin 36 Ruhe- und Krankheitstage.)

Wenn die USA näher kommen, muss ich neu kalkulieren. Wenns knapp wird, fahre ich an der Ostküste hoch und verbringe noch eine schöne Zeit in den Neuengland-Staaten und den Kanadischen Atlantikprovinzen (Option 2), wo ich immer schon mal hin wollte. Westküste, US-Nationalparks und Canada hab ich ja eigentlich schon mehrmals gesehen. Nur Alaska fehlt dann mal wieder. Obwohl ... mit dem eigenen Motorrad über die Golden Gate Bridge ... das hätte schon was. Was sagte Oma immer: "Wir werden sehen ..."

+ + +   ENDE   TEIL   6   + + +


Bildergalerie Nr. 15: Paraguay - Asuncion
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© 2015 Peter Martin, Paderborn