40.000 km.   8 Monate.   1 Motorrad.

Teil 9: Peru

Puno/Titicacasee > Cusco/Machu Picchu > Nasca/Nasca-Linien > Pisco > Lima > Huaraz/Cordillera Blanca [Umkehr] > Lima > Nasca > Ica/Oase Huacachina > Arequipa/Kloster Santa Catalina > Chivay/Colca Canyon > Tacna.

(Di) 21.04.2015 bis (Do) 28.05.2015

4.500 km


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Quelle: Google Maps

(Di) 21.04.2015 --- Copacabana (am Titicacasee) > Puno.
Es war wie erwartet eine kalte Nacht. Der Heizlüfter kam gegen die etwa 4 Grad, die von draussen in das nicht isolierte Zimmer wollten, nicht an. Ich mache langsam, denn es sind heute nur 150 km und ein Grenzübergang. Gegen 11:00 Uhr bin ich am Grenzübergang, an dem gerade zwei Reisebusse mit Backpackern angekommen sind. Ich sehe viele Europäische, Kanadische und Amerikanische Pässe in den Händen. Die Abwicklung auf der Bolivianischen wie auch der Peruanischen Grenzseite geht richtig schnell. Auch der Peruanische Zöllner bearbeitet schnell meine temporäre Einfuhrerlaubnis für das Motorrad. Er heißt mich Willkommen in Peru und wünscht mir eine gute Reise. Und einen Seitenhieb auf die Bolivianer kann er sich auch nicht verkneifen: "Bei uns ist das Benzin frei von Aufschlägen für Besucher". Und wieder muss die Uhr eine Stunde zurück gestellt werden.

Die Fahrt verläuft am Ufer des Titicacasee entlang. Auf den Felder ist Erntezeit. Viele Kleinbauern bewirtschaften von Hand den Acker und halten sich ein paar Nutztiere. Am Nachmittag komme ich früh in Puno am, fahre durch den Ort mit dem bekannten chaotischen Verkehr und erreiche auf einem Aussichtspunkt mein gebuchtes Hotel. Ich muss noch einige Vorbereitungen für die nächsten Tage treffen, den ich will nach Cusco und von dort mit dem Zug nach Machu Pichu. Am Nachmittag gewittert es heftig und ich lege mich noch eine Stunde hin.

Beim Grenzübertritt wurde die Uhr eine Stunde zurück gestellt. Jetzt wird es schon um 17:45 schnell dunkel. Das muss ich für die Planung in den nächsten Wochen berücksichtigen, denn man kann hier nicht im Dunkeln fahren. Manchmal fehlt ein Kanaldeckel, mal gibt es Schlaglöcher von der Größe eines Kleinwagens, mal stehen Tiere oder Eselkarren auf der Straße.

(Mi) 22.04.2015 --- Puno > Cusco
Bin Heute Morgen früh aufgestanden, da ich rund 400 km bis Cusco fahren muss, die Strassenverhältnisse in Peru noch nicht kenne und nicht im Dunkeln (17:35 Uhr) ankommen möchte. Ich bin jetzt nur noch auf 16 Grad Süd und die Länge von Tag und Nacht gleicht sich an, je näher man an den äquator kommt. Am Morgen sind es nur 4 Grad und alles ist nach dem Gewitter von gestern Abend noch feucht. Hier hört jetzt die Regenzeit auf und im Mai ist dann die Trockenzeit. Hoffentlich bekomme ich nicht mehr soviel Regen mit, denn bisher bin ich bis auf einen Regentag in Ushuaia ziemlich trocken gefahren.

Ich komme vom Hotel ziemlich glücklich die steile und rutschige Erdpiste herunter auf die Hauptstraße. Es geht wie in den letzten Tagen zwischen 3.200 und 4.300 Metern durch das Hochland. Kleinbauern bewirtschaften ihre Felder. Hirten beaufsichtigen ihre Tiere. Dabei fällt auf, das die Frauen in der Regel Handarbeiten machen, die Männer den Schafen nur beim Grasen zugucken. Was denkt man, wenn man den ganzen Tag "Schafe guckt"? Und was denken die Schafe über den Hirten?

Die Straße "Peru S3" ist außerhalb der Orte ziemlich leer und es geht zügig voran. Es gibt schöne Ausblicke auf die Berge rechts und links der Strasse. Ab 5.000 Meter liegt Schnee. Man riecht und spürt die Kälte. Das macht das Erlebnis Motorradfahren aus.

3 x Bilder Unterwegs
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Trotzdem darf man nicht zuviel Gucken. Keine hundert Meter vor mir treibt ein Schafhirte seine Herde über die Straße. Vollbremsung. Ich stehe fast in der Herde und der Blödmann meckert noch rum. Fazit: wenn man den ganzen Tag "Schafe guckt", bleibt nicht mehr viel Kapazität zum Denken.

Eine viertel Stunde die nächste Vollbremsung. Auf einer von rechts einmündenden Straße liefern sich zwei Autos gerade ein überholmanöver und übersehen, das ich Vorfahrt habe. Solche Situationen muss man als Motorradfahrer schon vorher erkennen, sonst lebt man nicht lange. Die zwei schießen parallel auf meine Straße und ich rette mich mit einer Vollbremsung und einem Lenkmanöver nach rechts auf deren Straße. (Für alle Nicht-Motorradfahrer: bei einer Vollbremsung richtet sich das Motorrad aufgrund der Fahrphysik auf und ist nicht in eine Kurve zu lenken. Also kein einfaches Manöver).

Ich muss einen Ort passieren und dachte bisher, dass der Verkehr in La Paz schon die Hölle war. Aber es kommt immer besser. Hier in Peru kommen zu Pkw, Lkw, Sammeltaxis, Bussen, Schlaglöchern, Ampeln, Straßenkötern, Fußgängern und Polizisten mit Trillerpfeifen noch hunderte TucTuc oder Vespa Ape oder Dreirad (keine Ahnung wie die Dinger hier heißen) hinzu, die sich durch den Verkehr schlängeln. Und auf einer Kreuzung liegen 2 Männer unter einem Auto ... und Schrauben. Chaos trotz Trillerpfeife. Und ich muss aufpassen, denen nicht über die Beine zu fahren. An einer Baustelle muss ich vorsichtig fahren (Erdpiste und gestern hat es ordentlich geregnet) und stehe plötzlich gut 30 cm im einem Schlammloch. Balance halten und schön langsam wieder raus rangieren. Und bloß nicht die Füße absetzen! Und die Kleine sieht aus wie ein Schwein, dass sich gerade im Schlamm gesuhlt hat.

Am frühen Nachmittag in Cusco angekommen, gebuchtes Hotel in der Altstadt nach langem Suchen gefunden und erholen bei einem leckeren Essen und einem "Pisco Sour". Morgen Stadtbesichtigung und Fotosafari und einen Anbieter für Machu Pichu (DAS Highlight in Südamerika) suchen. Wird teuer und ist streng limitiert. Aber muss man wohl machen.

(Do) 23.04.2015 --- Cusco
Ich frage morgens im Hostal nach einer Tour nach Machu Picchu. Ich bekomme ein Telefon in die Hand gedrückt und spreche mit Roxana. Schwer zu verstehen - aber den Preis von 275,- US$ höre ich raus. Ich muss überlegen ... Die Tour soll um 3:00 Uhr starten, Bus bis Ollantaytambo 3 Stunden, Zugfahrt bis Aguas Calientes 2 Stunden, Eintritt, Guia (Führer) und Rückfahrt. Ende um 22:00 Uhr im Hotel. Ich buche.

Diese Reise kostet mich ....... ,- Euro, da macht so ein Preis auch nix mehr aus. Ich könnte jetzt noch noch zu fünf Touranbieter abklappern, vielleicht kann man was einsparen, aber man investiert Zeit. Oder ich könnte nach Agua Calientes umziehen. Kostet auch Zeit und Nerven. Ich habe von Motorradfahrern in einem Blog gelesen, das sie mehrere Stunden nach einem Campingplatz in einer größeren Stadt gesucht haben, nur um etwas Geld zu sparen. Wer so knapp am Limit kalkuliert, ist hier eindeutig falsch, denn sie Preise haben durchaus europäisches Niveau.

11:00 Uhr. Roxana ist mit meinen 300,- US$ verschwunden, um die Tickets zu kaufen.

11:05 Uhr. Stadtbummel. Auf dem Plaza de Armas ist Kinder-Militärparade. Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren marschieren stramm an einigen Militär- und Polizeioffizieren vorbei. Befremdlich. Wie DDR oder Nordkorea. Dazu ein großes Polizeiaufgebot von jungen Polizeikadetten (und -innen). Hab ich wenigstens ein paar Fotoobjekte. Da haben die Taschendiebe ja heute frei. Und überall Absperrungen mit Flötenonkels. Immer wird irgendjemand angetrillert - für was auch immer.

3 x Bilder Militärparade
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Mir wird jede Minute etwas unter die Nase gehalten. Bilder, gestrickte Lamas, Zigaretten, bemalte Kürbisse, Puppen, Popcorn, Silberschmuck, ... ich hätte in einer halben Stunde eine Ikea Tüte voll. Und dann noch Schuhe putzen ... als Abwehrmassnahme habe ich heute Turnschuhe an. Und dann wird mir letztendlich noch ein Lamajunges hingehalten ... mit Strickmütze auf dem Kopf! Foto? ... No, Gracias!

16:00 Uhr. Roxana hat die Tickets und Wechselgeld im Hostal abgeliefert.

Gaby will so eine bunte Mütze mit Bommeln und Ohrenklappen, mit der sich die Touristen hier und die Heimkehrer zu Hause blamieren. Also hab ich nochmal die Chance auf eine Shoppingtour und habe am Abend nochmal einen Bummel durch die Altstadt gemacht. Immer mit kleinem Gepäck: ein paar Geldscheine und Münzen lose in der Hosentasche und nur das IPhone mit, um eventuell mal ein Foto zu machen.

3 x Mütze
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Da fällt mir ein, das ich noch nicht einmal eine Kopie meines Passes oder die Adresse des Hostals mit habe. Wenn ich jetzt umfalle, müssen sie die ... fragen, wer ich bin. Ich habe bisher immer nur eine einlaminierte Kopie meines Reisepasses vorgelegt. Niemand wollte bisher das Original sehen. Eiserne Regel: Nur beim Grenzübergang werden die Originale vorgelegt. Niemals einem Polizisten ein Original in die Hand geben, denn dann hat er dich in der Hand und hält die Hand auf. Aber bisher bin ich an den Straßenkontrollen immer mit einem freundlichen Lächeln durchgekommen.

(Do) 23.04.2015 --- Cusco > Machu Picchu
Heute ist "Alte Steine gucken" angesagt. Tagesausflug nach Mach Picchu. 3:30 Uhr Aufstehen. 4:30 Uhr Bus Cusco - Ollantaytambo. 7:20 Uhr Zug Ollantaytambo - Machu Picchu Pueblo (55,- US$). 8:50 Uhr Bus zum Berg (12,- US$). 9:30 Uhr Eingang (Bestellter Führer ist nicht da). 10:00 - 14:00 Rundgang (Hab mich in eine andere Gruppe gemogelt). 14:30 Imbiss am Ausgang. Regen. 15:00 Rückfahrt beginnt ... 19:00 Uhr Zugfahrt nach Ollantaytambo. 20:45 Uhr Busfahrt nach Cusco. 23:30 Uhr Hotel.

Bin mit vier Iren von Cusco im Bus und Zug nach Machu Picchu gefahren. Father Antony kennt sogar Paderborn und Heinrich Beverungen. An der Bahnstation in Ollantaytambo stehen wieder die üblichen Verkäufer bereit. Wollmützen, Beinstulpen, Handschuhe und der übliche Kram, den die Hirten-Frauen bei Aufpassen auf die Schafe so zusammenstricken. Dem Panflötenspieler gebe ich nichts. Als Rache wird er im Sommer seine Brüder in die Fußgängerzone von Paderborn schicken.

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Reisegruppe "Father Antony"


Die Auffahrt zur Stadt erinnert an die "Camino del Muerte" (Die Straße des Todes) in Bolivien. Die Aufahrt zum Berg ist einspurig und man kann mehrere Hundert Meter nach unten gucken. Natürlich gibt's keine Leitplanke. Ein Kapitän verlässt als letztes das Schiff: der Busfahrer schnallt sich an. Oben angekommen ist mein Führer nicht zu finden und ich mogele mich in die Gruppe mit den vier Iren.

Die Stadt liegt spektakulär auf einem schmalen und steilen Bergrücken. Sie ist von den Inkas um 1500 erbaut worden und hatte ca 1.000 Einwohner. Sie wurde aus nicht erklärliche Gründen verlassen und geriet in Vergessenheit. 1911 entdeckte Professor Bingham die Stadt nach Hinweisen aus der Bevölkerung neu. 1930 wurde Machu Picchu unter Schutz gestellt und 1983 als UNESCO Welterbe eingestuft. Es gibt Häuser und Tempel, in denen tonnenschwere Steine fugenlos aneinandergefügt sind und so schon seit vielen Jahren stehen. Und heute kriegen die Nachfahren noch nicht mal die Kacheln im Bad gescheit an die Wand. Hier Ist zwar ein riesiger Touristenrummel, verläuft sich in der großen Anlage aber. Muss man gesehen haben. Nur die 4,50 US$ für ne kleine Flasche Bier Schmerzen. Prost!

3 x Machu Picchu
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Bescheissen ...   Im Dorf war ich noch in einem Restaurant. Meerschweinchen auf der Speisekarte. Mit Bild. Mit Möhrenstückchen zwischen den Nagezähnen. Entspricht eigentlich nicht unseren "10 Regeln" für die Restaurantwahl. Ich bestelle mir eine Pizza Verdura (Gemüse). Ich hätte auch eine Pizza 4 Estaciones (englische Übersetzung auf der Karte: 4 Stations = 4 Bahnhöfe) haben können. Auf der Rechnung stehen zusätzlich noch 10,- Soles Tax. Ich frage nach. Es sollen 10% lokale Steuern (kann ich nicht prüfen) und 10% Bediengeld sein. Aha ... Ich rechne den Cefe nochmal vor: Pizza und Bier 31,- Soles. 2 x 10% sind 2 x 3,10 Soles, also 6,20 statt 10,- Soles. Man ist ja Tourist und kommt nie wieder. Das erste Mal, dass man mich bescheissen wollte. Und die Familie, die am Nachbartisch sitzt, ist empört, das ein reicher Tourist nachrechnet. Vielleicht legen ja manche noch 10% Trinkgeld hin?

3 x Speisekarte
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Vor dem Bahnhof ein riesiger Artesanias Markt (Kunstgewerbe). Ich schaue mich noch nach einem Geschenk um und frage nach Preisen. Dreimal das gleiche Spiel: man sagt mir einen Preis ... zögert kurz ... und geht sofort runter. Sind wir denn in einem arabischen Land auf dem Basar? Als ich das Teil zurück legen, höre ich den dritten niedrigen Preis. Und als ich nochmal nach ein paar Minuten vorbeikomme, ruft man mir nochmal einen niedrigen Preis zu. Wie bei "Das Leben des Brian" - Sie müssen jetzt mit mir feilschen.

Um 20:50 Uhr kommt der Zug in Ollantaytambo an. Ich habe schon überlegt, wie ich nach Cusco zurückkomme. Der Busfahrer morgens hat zwar gesagt, er steht an einer bestimmten Stelle, aber was wenn nicht. Ich habe keinen Veranstalter, keine Telefonnummer und sehe keinen der Mitreisenden vom Morgen. Stress. Ich laufe an allen Bussen zweimal hin und her. Natürlich ist der Bus von heute Morgen nicht dabei. Reiner Zufall: es kommt eine Gruppe vorbei und ich schaue auf eines der Schilder, die eine Sammlerin in der Hand hält. Da steht tatsächlich mein Name drauf. Glück gehabt. Hab mich schon im Taxi für 50 km gesehen. Normalerweise ist alles immer pünktlich und gut organisiert.

(Sa) 25.04.2015 --- Cusco.
Ruhetag. Wäsche. Planung. Mails. Bilder und Backup. Webseite. Stadtbummel. Kaffee und Kuchen. Mützen- und Bilderverkäufer abwehren. Beim Stadtbummel treffe ich den Irischen Geistlichen Father Antony von gestern aus Machu Picchu wieder. Ich bekomme beste Wünsche und Gottes Segen für meine Reise. Jetzt kann nichts mehr schief gehen ... Vielen Dank!

(So) 26.04.2015 --- Cusco > Abancay
Ich fahre heute von Cusco in Richtung Nazca. Ich komme durch kleine Dörfer. Vor den Häusern aus Lehmziegeln liegen Müll, Schutthaufen oder das Ergebnis der Feldarbeit. Statt Vorgarten mit Gartenzwergen wühlen hier Schweine im Dreck. Viele Häuser sind mit Wahlwerbung beschmiert:

3 x Bilder Wahlwerbung
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Überall liegt Müll herum. Ich bin (in Bolivien und Peru) schon mehrfach aus dem vorausfahrenden Auto mit Müll beworfen worden. Erst dachte ich, die haben was gegen Ausländer oder Motorradfahrer. (Gut das man noch nicht ne gebrauchte Windel nach mir geworfen hat!) Aber es ist Standard, jeden Müll direkt in den Strassengraben zu entsorgen. Und wenn irgendwo eine Mülltute liegt, werden es schnell weitere. Und dann kommen die Hunde. Sie streunen herum und machen sich über jede Mülltute her. Die Hunde sind außerdem sehr gefährlich, da sie unvermittelt auf einen zurennen und einen jagen. Allerdings sind sie spezialisiert auf bestimmte Fahrzeuge, Fahrzeugtypen oder sogar Farben (Beispiel: Roter Pickup). Ich hatte davon im Vorfeld gehört und eine Tollwutimpfung (3 Impfungen = 195,- Euro) vornehmen lassen. In Chile hatte ich auch schon so einen Kläffer für ein paar Meter am linken Stiefel hängen. Gefährlich, wenn das im dicken Verkehr passiert und man abgelenkt wird.

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Quelle: Google Maps

Die Strecke führt mich zwischen 1.800 und 4.000 Metern durch das peruanische Hochland. Unterwegs begegne ich seit Wochen mal wieder einem Motorradfahrer ... auf einer BMW F650GS. Wir halten an und reden ein bisschen über unser Motorradmodell und die Strecke.

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BMW Treffen im peruanischen Hochland


Im Hotel kann ich geschützt und trocken parken und mache einige Kontrollarbeiten: Kette ölen und Spannung kontrollieren, Sichtkontrolle aller Schrauben, Steckverbindungen, Schellen und Speichen. Danach mache ich noch einen Stadtbummel. Unterwegs gibt es nur Strassenstände von Indiofrauen mit Fleischspiessen. Das Restaurant im Hotel hat heute geschlossen. Also Hungern und früh ins Bett. In der Stadt stand eine Bühne und man fängt pünktlich um 22:00 Uhr mit der Musik an. Standardmäßig natürlich laut. So geht das bis 1:00 Uhr. Um 4:00 Uhr meint der Hahn unter dem Fenster, dass es jetzt Zeit ist aufzustehen. Und um 7:30 Uhr beschallt die Direktorin der Grundschule nebenan das Stadtviertel erst mit einem christlichen Halleluja-Lied, später mit einer Ansprache und einem selbst gesungenen Lied für ihre Schüler. Alles wie üblich über Lautsprecher. Tolle Nacht - toller Weckdienst.

(Mo) 27.04.2015 --- Abancay > Puquio
Frau Garmin spinnt heute. Fing gestern Abend an, als ich die Route bis Nazca rechnen wollte. Das Navi ging mehrmals im Akkubetrieb unvermittelt aus. Heute das gleiche. Ich hatte eine Routenberechnung nach Nazca über rund 450 km am laufen, und das Navi ging ständig aus. Wackelkontakt? Kann nicht sein, weil nichts darauf hindeutet und das Navi speziell auf die Anforderungen am Motorrad ausgelegt ist. Stromversorgung? Kontakte vor ein paar Tagen kontrolliert. Akku? Ist noch gut und hält mehrere Stunden. Und der Effekt ist mit Akku und in der Motorradhalterung der gleiche. Ich überlege schon, wie ich an Ersatz komme und Tausch oder Reparatur organisieren kann, denn ohne Navi ist man speziell in den Städten aufgeschmissen. Ich habe für den Notfall noch "Skobbler" mit Offlinekarten auf dem IPhone, aber das IPhone ist für den Dauerbetrieb am Motorrad zu empfindlich. Nach langem überlegen fällt mir ein, das der Effekt schon mal vor ein paar Tagen war. Danach nicht mehr. Da war mir das Navi bei der Anfahrt in Bolivien ständig ausgegangen. Wackelkontakt und Stromversorgung fällt also als Fehler aus, kann also nur ein Systemabsturz mit Abschaltung sein. Ich beende die Routenberechnung und das Navi bleibt an. Alles deutet darauf hin, das in der OSM Karte ein Fehler ist, den der Prozessor nicht verarbeiten kann und sich das Navi daraufhin abschaltet.

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Pass- und Höhenstrasse zwischen Cusco und Nasca © Google Maps

Es geht heute ca. 300 km auf der Pass- und Höhenstrasse von Cusco nach Nazca weiter. Die Straße verläuft zwischen 1.800 - 4.600 Metern und ist die Hauptroute für Überlandbusse zwischen Cusco, Nazca und Lima. Eine Traumstrecke für das Motorrad und schön leer. Die Kleine schlägt sich tapfer in der Höhe, mir bleibt schon beim Fotografieren die Luft weg. Es ist erst Sonnig und angenehm warm, am Nachmittag wird es in den Höhenlagen aber Bewölkt und Kühl, später zieht ein Gewitter auf und ich muss für die letzten 20 km in den Regenkombi.

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4.539 Meter !!!


Ich muss nochmal eine Zwischenübernachtung vor Nazca machen, denn auf den Strassen schafft man höchstens einen Schnitt von 50 Kilometern. Ich müsste noch 150 km und wurde im Dunkeln ankommen. In Puquio sind auf dem Navi nur zwei Hotels bezeichnet. Ich entscheide mich natürlich für das beste Hotel an der Plaza de Armas. Ich bekomme das beste Zimmer. 2x3 Meter. Fenster zum Gang. Eigene Dusche. Kinderbettwäsche. 11,80 Euro. Parken darf ich im Telefonladen nebenan. Man legt eine 30 cm breite Holzbohle vor den Eingang und mit Schwung geht es in den Laden und mit einer Vollbremsung bleibt ich kurz vor der Theke stehen. Und ich bin nicht der Erste. Neben mir steht ein Argentinier mit einer 450er Honda. Auch gerade im Laden angekommen. Die Kunden scheint es nicht zu stören.

3 x Hotel
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Ich habe im Ort drei Restaurants gefunden. Ich entscheide mich für ein halbes Hähnchen vom Grill, Patatas, Ensalada und ein Bier. Im Fernsehen (wie immer: 4:3 Programm auf 16:9 Fernseher und volle Lautstärke) läuft eine Spielshow. Bei uns würde ich sagen: Unterschicht-Fernsehen. Die drei Mädels vom Personal starren wie gebannt auf die Moderatorin ala Heidi Klum und basteln dabei Ketchup-Tütchen für das Essen zum Mitnehmen oder Falten quadratische Papierservietten auf Dreieck. Wer nach Südamerika fährt, wird die Ruhe einer Nordseeinsel danach zu schätzen wissen.

(Di) 28.04.2015 --- Puquio > Nasca
Die letzten 160 Kilometer bis Nasca. Ich bin jetzt mittlerweile seit 500 km auf dieser Pass- und Höhenstrasse unterwegs. Einfach ein Motorradfahrer-Traum. Wieder Kurven satt. Es geht nochmals durch Spitzkehren und langgezogene Kurven auf über 4.000 Meter. Die Landschaft wechselt später auf Wüste - ein Großartiger Anblick, den man nicht mit der Kamera einfangen kann. Der Abstieg erfolgt langsam von der Hochebene nach Nasca, das auf etwa 600 Meter liegt. Es wird deutlich wärmer. Ich fahre ein vorher im Reiseführer ausgesuchtes Hotel in Nasca an und quartiere mich für zwei Tage ein, denn ich möchte bei gutem Wetter einen Rundflug über die "Nasca-Linien" machen.

3 x Mototaxi (Made in India)
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Ich frage mich schon seit Tagen, wie die Volkswirtschaft speziell in Bolivien oder Peru funktioniert. Bisher habe ich noch kein Unternehmen oder eine Fabrik gesehen. Nur Kleinbauern, kleine Geschäfte, Imbissstände, Straßenverkauf von selbst erzeugten Produkten (zum Beispiel Strickwaren, die beim Schafe hüten in Massen erzeugt werden und die sich dann die Touristen über den Kopf stülpen). In manchen peruanischen Städten fahren eine Unmenge von TucTuc´s als Taxi ihre Runde durch die Stadt. Vieles wird auf der Straße abgewickelt: Auto- und Karrosseriereparaturen, Auto lackieren, Autoreifen flicken, Auto waschen, ... Zwischen allem die Frauen mit ihren Imbissangeboten und die Hunde auf Futtersuche. Woher der Staat seine Steuern bezieht ist mir rätselhaft, denn bisher habe ich selten Registrierkassen gesehen oder eine "Faktura" bekommen. Trotzdem können sich alle südamerikanischen Staaten einen sichtbar aufgeblähten Polizei- und Verwaltungsapparat leisten. Aber bei der Müllabfuhr könnte noch einiges investiert werden.

(Mi) 29.04.2015 --- Nasca.
D I E   K A T A S T R O P H E   Auf der Reise gibt es genau einen Knackpunkt, der mir bereits bei der Planung die größten Kopfschmerzen bereitet hat. Die Verbindung zwischen Nord- und Südamerika, genannt "Darien Gap", eine rund 100 Kilometer große Lücke ohne Straßenverbindung durch den Darien Nationalpark zwischen Kolumbien und Panama. Wenn ich darüber hinweg bin, beginnt Teil 2 der Reise. Und genau die einzige (!) Fährverbindung mit Fahrzeugtransport zwischen Kolumbien und Panama hat am 20.04. ihren Dienst eingestellt.

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Wir teilen Ihnen hiermit mit, dass wir unseren Fährdienst eingestellt haben.


Bleibt noch Schiffsfracht oder Container (entfällt für ein einzelnes Motorrad), Segelschiff (das einzige empfehlenswerte Schiff, die "Stahlratte" hat Wartungspause) oder Luftfracht. Die Option Luftfracht muss ich jetzt prüfen, bedeutet aber Motorrad flugfertig machen (Batterie abklemmen, Benzin ablassen, gefährliche Gegenstände aus Gepäck entfernen), das Motorrad irgendwo abgeben und dann hinterher fliegen und am Zielort Panama wieder aus dem Zoll holen. Riesenaufwand gegenüber 18 Stunden Fährfahrt. Mist. Ich hatte mich auf eine dauerhafte Fährverbindung verlassen. Was machen? Darauf muss ich mir erst einmal einen "Pisco Sour" trinken und darüber schlafen.

Ich muss jetzt erst einmal prüfen, ob es noch die im Internet immer wieder genannte Luftfrachtverbindung gibt. Die Firma bietet den Transport auf Palette ab Quito/Ecuador und Bogota/Kolumbien an. Nicht immer ohne Beanstandung. Also Anschreiben und Fragen. Wenn die sich nicht melden, hab ich keine Option mehr, nach Norden zu kommen. Dann muss ich abbrechen und nach Valparaiso/Chile für den Rücktransport ab Villa Kunterbunt zurück. Ich bin jetzt genau am Wendepunkt. Jeden Kilometer, den ich ab hier (Nasca/Peru) nach Norden fahre, muss ich dann auch wieder nach Süden.

(Do) 30.04.2015 --- Nasca.
Rundflug   Pünktlich steht der Bus vor dem Hotel. Ich habe eine Flug am frühen Morgen über die Nasca Linien gebucht. Das sind Bilder, teilweise bis zu 100 Meter gross, die durch das Entfernen der obersten Bodenschicht gezeichnet wurden und bis zu 20 Kilometer lange Linien. Beides kann man nur aus der Luft sehen, und so wurden die Bilder erst um 1930 bei den ersten Überflügen entdeckt. Der Hintergrund für diese Zeichnungen, die ca 2.800 Jahre alt sind, ist ungeklärt. Manche sagen, es sind Landebahnen für die Außerirdischen. Eine Deutsche, Maria Reiche, hat die Linien 40 Jahre lang erforscht. Mit mir fliegt noch eine Gruppe aus Lodz/Polen. Das Flugzeug fliegt extreme Kurven auf beiden Seiten, damit jeder Passagier und jeder Magen etwas davon hat. Die Figuren sind beim Überflug nur für Sekunden sichtbar. Trotzdem ein tolles Erlebnis. Nach 30 Minuten stehen wir wieder auf festem Boden.

3 x Flug Nasca Linien
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Nasca Linien: Der Kolibri (96m)


Rauschen   Heute Mittag knurrt mir der Magen. Ich gehe gegenüber in die Hähnchenbraterei und bestelle wie gestern ein Viertel vom Grill, Kartoffeln, Salat und ein großes Bier. Kostet zusammen 6,50 Euro. An der Wand hängt der bereits berüchtigte Flachbildschirm. 60 Zoll. 16:9. Verzerrtes Bild. Volle Lautstärke. Allerdings kein Ton zur Show, sondern nur Rauschen. Nach ein paar Minuten geht mir das Rauschen auf die Nerven und ich stehe auf und regle die Lautstärke runter. Stille! Nur noch Gemurmel der Gäste. Keine Minute später beschwert sich eine Alte Frau und zeigt auf mich, ich hatte den Fernseher ausgemacht. Und der vom Personal dreht wieder auf ... bis zum Anschlag. Und schon liegt über allem wieder ein unerträgliches Rauschen und übertönt jedes Gespräch. Natürlich guckt die Alte nicht auf den Fernseher, weil sie eigentlich dahinter sitzt und gar nichts sehen kann. Das ist ... Unfassbar ... Unerträglich ... Mir fehlen echt die Worte bei soviel Blödheit.

(Fr) 01.05.2015 --- Nasca > Ica > Pisco.
Durch die Wüste   Ein Tag, den ich in der "Minus" Spalte (oder auch als Scheisstag) buchen muss. Am Morgen gut gestartet dachte ich, auch ohne Navigation auf die richtige Straße zu kommen. War ich ja jetzt schon zweimal gefahren. Erst Richtung Flugplatz und dann weiter. Standardmäßig gibt's ja eh keine Schilder. Als ich eine halbe Stunde gefahren bin, sehe ich auf dem Kompass am Navi, dass ich nach Süden fahre. Also umdrehen und zurück. Eine Stunde verloren. Die Strecke "Peru 1S" führt noch einmal am Aussichtsturm über zwei Petroglyphen vorbei, an dem ich kurz halte. Dann geht's immer tiefer in die Wüste. Sand und hohe Dünen rechts und links von der Strasse. Die Temperatur ist auf 42 Grad gestiegen.

Exkurs   Mal für die Nicht-Motorradfahrer unter Euch: Schön Warm ... Nein, das ist wirklich kein Vergnügen. Die Schutzkleidung ist Windundurchlässig. Weniger als T-Shirt darunter geht nicht. Handschuhe und Stiefel. Den Helm muss man geschlossen halten, sonst hat man den ganzen Dieselruß, Strassenstaub und Insekten im Gesicht. Bleibt man z.B. an einer Ampel stehen, heizt der Motor von unten. Und natürlich brennt die Sonne von oben. Viele Stunden lang. Nach einigen Stunden geht dann nichts mehr. Man wird müde, die Konzentration lässt nach und man macht Fahrfehler. Bei kühlem Wetter kann man sich etwas zusätzlich anziehen, bei warmen Wetter geht es echt an die Grenzen. Und so kommt man in einer fremden Stadt an und muss sich durch den Verkehr quälen, in dem keine Rücksicht genommen wird, muss die Augen überall haben, muss eine Unterkunft suchen, muss Fehler des Navi ausgleichen ... Denkt dass nächste Mal daran, wenn ihr neidisch hinter einem Motorrad hinterher guckt. --- Ach ja ... und Cabrio fahren macht bei so einem Wetter übrigens auch keinen Spaß. Dann lieber Dach zu und Klimaanlage an.

Viel Verkehr, viele LKW und Busse. Vor mir ein Laster mit Hühnern, den ich nicht überholen kann. Die Federn fliegen mir um die Ohren und es stinkt. Es geht vorbei an wenigen Häusern und einigen Behausungen aus Bastgeflecht. Es ist dunstig vom Staub, der unter den Augenliedern knirscht. Allerdings bin ich auch noch nie hunderte Kilometer durch eine Sandwüste gefahren.

Hotel im Outback   Am geplanten Zielort angekommen, schickt mich Frau Garmin ins ... Nichts. Große Stadt, aber keine Straßennamen erfasst. Und auch nicht auf der Backup-Navigation. Ich habe mir am Abend vorher einige Hotels ausgesucht, die ich jetzt im chaotischen Verkehr mit allen Einbahnstraßen und TucTuc nicht finden kann. Mist. Etwa 5 Kilometer vor dem Ort ein von Außen schönes Hotel & Restaurant, für das ich mich entscheiden muss. Zimmer geht, draußen ein Pool, geschützter Innenraum. Beim Rundgang finde ich nur den Frühstücksraum. In der Küche hat noch nie jemand gekocht. Nach dem abendlichen Videofonieren mit Gaby schlafe ich ziemlich fertig direkt weg. Um halb Acht gehe ich zu Rezeption und frage spaßeshalber nach dem Restaurant. Schulterzucken. Derweil spielt die Katze mit drei fetten Kakerlaken, damit mir auch richtig der Appetit vergeht. Auch die Frage nach den großen Flaschen einheimisches Bier zum geringen Preis führt ins Leere. Die gibt's natürlich nicht mehr, nur die kleinen und teuren Flaschen Importbier. Ich mag solche Hotels im Nichts überhaupt nicht, was damit wieder bewiesen ist. Dann muss ich mich heute Abend von meinen Notfall-Salzkräckern und warmen Notfall-Bier aus dem Koffer ernähren. Scheisstag.

(Sa) 02.05.2015 --- Pisco > Lima.
Der Pazifik   Heute die Weiterfahrt nach Lima. Hauptstadt von Peru. 8,5 Millionen Einwohner. Rund 220 Kilometer. Kurz hinter meinem Zwischenstopp fängt die Autobahn an. Sie führt nah am Pazifik vorbei, den ich jetzt nach Chile im Januar wieder sehe. Die Luft ist feucht, schmeckt salzig und riecht fischig. Es ist leicht nebelig und auf dem Helmvisier vermischt sich die Feuchtigkeit mit dem Staub und Sand aus der Wüste, durch die ich ja auch noch fahre. Alle 30 Minuten muss ich anhalten und spülen, damit ich nicht blind fahre.

Vom Bus gestreift   Gegen 12:30 kommen die ersten Vororte von Lima. Ich fahre auf der dreispurigen Autobahn ins Zentrum. Der Verkehr wird immer dichter, die Anzahl der Busse und Taxis nimmt zu, das Chaos wird immer größer und der Verkehr bricht teilweise zusammen. Jede noch so kleine Lücke und auch der Seitenstreifen wird genutzt, um einen Meter zu gewinnen. Und es wird geschnitten und gedrängelt und gehupt ohne Pause. Ich stehe als Linksabbieger auf einer Kreuzung und habe noch Gegenverkehr. Hinter mir hupt ein Busfahrer wie doof, nutzt eine kleine Lücke aus, fährt in den Gegenverkehr und streift mich dabei. Am Spiegel. Voraus geahnt. Riesenschreck. Nix kaputt. Dagegen ist Buenos Aires mit seinen 12 Fahrspuren pro Fahrtrichtung auf der "Avenida 9 de Julio " Kindergarten und Rentnerparadies. Hier ist die verkehrstechnische Hölle. Man kann nur mitschwimmen, nicht nachdenken und nicht nach hinten gucken. Aber da oft nur Schrittgeschwindigkeit gefahren wird, habe ich noch keinen Unfall mit PKW's gesehen.

(So) 03.05.2015 --- Lima.
Regeln   Das Hotel hat strenge Regeln. Es ist für zwei Personen Frühstück eingedeckt. Da ich Alleine bin, nimmt man das zweite Päckchen Butter und die zweite Miniportion Marmelade wieder weg. Auch einen zweiten Tee bekomme ich erst nach Diskussion, Verweis auf die "Frühstücksregeln" laut Aushang und Berechnung von 3,- Soles. Das ist mir auch noch nicht passiert. Hab bisher nur am Anfang Hotels bei Booking.com bewertet, bis man einen Kommentar zensiert hatte, aber dieses möchte unbedingt eine schlechte Bewertung. Bitte, wird es bekommen.

"Peru Sucks"   ... würde der Amerikaner sagen. Nerviges Gedudel, Fernseher in voller Lautstärke, ständiges Gehupe, Dreck und Staub, Müll überall, häufig das Gefühl das man beschissen wird ... aber auch freundliche Menschen, die einen grüßen und anlachen, tolle Motorradstrecken und großartige Kulturdenkmäler. Trotzdem bin ich froh, wenn es weiter nach Norden geht. Das ist mit Abstand das schlimmste Land, in dem ich bisher auf dieser Reise war. Und der junge Mann an der Rezeption fragte mich gestern Abend noch, wie mir sein Land gefällt. Statt einer ehrlichen Antwort hab ich gelächelt.

Heute war Stadtrundgang angesagt. Auf der Plaza de Armas bin ich um 12:00 pünktlich in die Wachablösung am Prasidentenpalast gekommen. Militärkapelle auf Pferden. Ziemlich beeindruckend. Dann in die Basilica Cathedral de Lima und Convento de San Francisco. Hier in der Innenstadt viele gepflegte Fußgängerzonen, hohe Polizeipräsenz, wenig Autos, wenige Händler und ausgesprochen Sauber. Eben die Vorzeigeecke der Stadt. Zum Abschluss hab ich noch in einem alten Comedor gegessen. Restaurante Cordana (seit 1905). Urgemütlich und viele Einheimische. Dieser Nachmittag hat etwas von dem Frust der letzten Tage kompensiert. Und das ist auch die Mischung. Es gibt nicht nur Schöne Tage, sondern diese Reise lebt von dem Auf und Ab.

3 x Lima
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(Mo) 04.05.2015 --- Lima > Barranca
Entkommen   45 Kilometer und 1 Stunde 20 Minuten um aus Lima und seinen Vororten nordwärts raus zu kommen. Verkehr war wie immer chaotisch, aber man muss frech genug "mitschwimmen" und darf nicht zögern. Noch ist es diesig und nicht zu warm, später kommt die Sonne raus und brennt wieder. Heute wieder 200 km Wüste. Mit Dünen und Sand, der über die Straße geweht wird. Auf der linken Seiten sieht man manchmal den Pazifik. So geht das jetzt noch bis in den Norden von Peru. Deshalb mache ich heute frühzeitig einen Stopp in Barranca (60.000 Einwohner) am Pazifik und werde morgen einen Umweg in die "Cordilliera Blanca" fahren. Endlich wieder auf 4.000 Meter und Schnee sehen.

Hilferuf   Am Abend hab ich noch einen Hilferuf im Motorrad-Forum www.motorradkarawane.de abgesetzt. Ich finde - auch nach intensiver Internetrecherche - keinen Kontakt zu einem auf Motorradtransport spezialisierten Air Cargo Unternehmen am Flughafen in Quito oder Bogota. Meine letzte Option. Ich habe noch ein paar Tage Zeit, dann muss ich eine Entscheidung treffen und eventuell nach Valparaiso zurückkehren, um dort diese Reise zu beenden. Ich würde gerne den zweiten Teil (Mexico, USA und Canada) anschließen, aber wenn es nicht geht ... auch jetzt bin ich schon erledigt von dem Erlebten. Schade allerdings um die hohen Anlaufkosten (Umbau und Transport Motorrad) und die Organisation des Sabbatical, aber das habe ich bereits als Notfall einkalkuliert. Und in Mexico, USA und Canada war ich zusammengerechnet auch schon 6 Monate.

(Di) 05.05.2015 --- Barranca > Huaraz
Rückkehr   Ich bin heute Morgen mit dem Entschluss aufgewacht, die Reise in Südamerika zu beenden. Ich werde also langsam wieder nach Süden fahren und das Motorrad von Valparaiso aus per Schiff nach Hause schicken. Der Aufwand für einen Transport mit Flugzeug von Kolumbien nach Panama über das Darien Gap ist einfach zeitlich und organisatorisch zu aufwändig. Der immer wieder genannte Spezialist für Air Cargo von Motorrädern ist nicht erreichbar. Eine andere Air Cargo Firma hat sich gemeldet und den Preis und die Bedingungen genannt. Mit Abfertigung, Gebühren, separatem eigenem Flug, Vorlauf- und Wartezeiten komme ich auf über 2.000 US Dollar. Das Motorrad muss für den Lufttransport "trocken" sein, Batterie abgeklemmt, gefährliche Gegenstände entfernt werden (z.B. Kettenspray weil entzündlich) und alle ausladenden Teile müssen demontiert werden. Alles für eine Stunde Flug über ein 780 km.

Die Eindrücke und das Erlebte reichen für diesen ersten Abschnitt. Den zweiten Teil der Reise werde ich vielleicht in zwei Jahren nachholen und dann einen Sommer durch die USA und Canada fahren. Vielleicht ja mit Gaby. Ja ... ich bin etwas traurig, hatte diese Situation aber immer im Hinterkopf und als Notfallkonzept bereits mit im Plan. Und so erspare ich mir die "heißen" Länder in Mittelamerika und Mexico (in beiderlei Hinsicht). Kreislaufmässig habe ich mehr Probleme mit der Hitze als mit der Höhe. Ich bin zufrieden mit meiner Entscheidung (Gaby auch) und kann jetzt ganz Entspannt und ohne Zeitdruck noch ein bisschen hin- und herpendeln und das eine oder andere Ziel noch in Ruhe anfahren. Hab ja bis September Zeit. Ein Unbekannter Mitleser ("Evaristo") meiner Reiseberichte aus Paraguay hat mir das zum Start schon vorausgesagt, dass es so kommen wird und mir empfohlen, in Südamerika zu bleiben und mir den Stress, nach Norden zu kommen, zu ersparen. Und zum Abschluss gönne ich mir vielleicht noch ein paar Tage Urlaub in der Südsee: mein Wunschziel "Rapa Nui", "Isla de Pescua" oder Osterinsel, die zu Chile gehört. 4.000 km westlich von Chile auf halben Weg nach Tahiti. 5 Stunden Flugzeit. Nur um ein paar alte Steinfiguren (Moai) zu gucken. Aber das ist erst noch Planung ...

Heute ging es von "Null" auf "Viertausend". Von der Küste kommend bin ich langsam und stetig über rund 220 Kilometer in die Anden hoch gefahren. Zuerst noch alles kahl wurde die Landschaft später grün, bis es auf der Höhenstrasse in die Stadt Huaraz ging. Huaraz ist der Ausgangspunkt für Bergsteiger in die "Cordillera Blanca", ein 180 Kilometer langer Teil der Anden, in dem mehr als 50 Berge über 5.700 Metern liegen. Der höchste Berg ist der Huascaran mit 6.768 Metern, höchster Berg in Peru und vierthöchster in Südamerika. Von meinem Hotelzimmer aus habe ich einen tollen Blick auf die Berge ... Wenn nicht die Bewölkung davor stehen würde.

(Mi) 06. bis (Fr) 08.05.2015 --- Huaraz.
Ruhetag. Emails. Organisatorisches. Stadtbummel. Geld holen. Auf der Terrasse sitzen, Entspannen und ein leckeres "Cusquena Negra" trinken. . ...

Chaos   Ich laufe jeden Tag durch die Stadt und genieße das Chaos. Und das hier in Huaraz steht stellvertretend für alle anderen Städte Perus´s. Nerviges Dauergehupe der Taxis. Indiofrauen die Obst, Gemüse oder kleine Happen verkaufen. Läden, die oftmals gefälschte Markensachen verkaufen. Wenn irgendwo ein Stand oder eine mobile Fressbude auf Dreirad-Fahrradbasis steht, findet sich immer ein Konkurrent daneben, der das gleiche anbietet. Und wenn irgendwo ein Händyladen ist, sind zehn andere daneben. In Bolivien bin ich durch eine Gasse mit gezählt 25 Friseuren gegangen. Und jeder wollte mich in den Laden zerren.

3 x Fressbuden
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Man muss die Augen immer unten haben, damit man nicht in einen Kanalschacht oder Hundehaufen tritt. Und Absätze und hohe Bordsteinkanten sind Standard. Man muss die Augen aber auch oben haben, sonst läuft man in einen Sonnenschirm oder eine Markise, denn die sind auf peruanische Normalgrösse eingestellt. So um die 150 cm. Vor den Läden und Banken stehen die größeren Männer (so um die 170 cm und 50 Kg) in Security Uniform und gucken grimmig.

Ach ja ... über die Straße gehen ist auch so ein Glücksspiel. Ampeln für Fußgänger gibt es nicht. Man muss sich an den Ampeln für die Autos orientieren und seine Lücke suchen. Und die Abbieger gucken einen an, lächeln und fahren unbeeindruckt weiter und einem direkt über die Füße. Dabei ist mir schon mehrmals das hässliche Wort rausgerutscht. Aber ich habe noch keinen gesehen, der hier rumschnauzt, meckert, flucht, ... immer Lächeln.

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Quelle: Google Maps

(Sa) 09.05.2015 --- Huaraz > Barranca
Rückfahrt Die Rückfahrt hat begonnen. Ich habe alle wichtigen Sachen (Motorradtransport und Rückflug) in den letzten Tagen angefragt. Rund 3.500 Kilometer bis Valparaiso in Chile. Vielleicht noch mit kleinem Umweg über die Atacamawüste und Argentinien. Ich habe den nördlichsten Punkt dieser Reise mit Huaraz in der Cordillera Blanca erreicht. Laut Navi 11.800 Kilometer seit Ushuaia. Ich habe lange überlegt, ob ich noch bis Ecuador fahre. Ich hätte mir gerne noch einmal Cuenca angeguckt und einen neuen Panamahut gekauft. Aber das wären nochmal 2.500 Kilometer hin und auch zurück auf der gleichen Strecke gewesen, und dann wäre ein Ölwechsel und eine neue Kette fällig gewesen. Nach meinen schlechten Erfahrungen mit der BMW Werkstatt in Asuncion will ich darauf lieber verzichten. Es reicht. Vielleicht bin ich auch "Reisemüde". Erst einmal geht es heute zurück nach Barranca an die Pazifik küste. Von "viertausend" wieder auf "null" Meter. Rund 230 Kilometer in 5 Stunden. Vor und neben mir eine gigantische Kulisse mit vielen schneebedeckten Sechstausendern.

Auf der Strecke spielen sich unglaubliche überholmanöver ab. Und ich erkenne langsam die Rangfolge auf der Straße: 1.) große LKW 2.) große überland-Doppeldecker-Busse 3.) kleine LKW 4.) kleine Busse 5.) Sammeltaxis 6.) Taxi 7.) Pickup 8.) Hausfrauenpanzer 9.) normale Pkw 10.) alte Pkw ... 15.) Mototaxis 16.) Mopeds [und in diese Kategorie ordnet man mich auch ein, denn große/schwere Motorräder gibt es hier nicht. Und wenn mal einer drängelt und ich etwas Gas gebe, ist das Staunen groß] 17.) Fahrräder und Dreiräder 18.) Eselkarren 19.) Fußgänger 20.) Hunde. Ab 15.) hat sich alles auf dem Seitenstreifen zu bewegen. Großes Problem: man wird überholt und wenn es knapp wird, wird man gnadenlos abgedrängt. Ansonsten wird auch vor Kurven oder Kuppen überholt. Heute haben sich besonders die Doppeldecker- Überlandbusse hervorgetan. Als Busreisender hätte ich dem Busfahrer den Schlüssel weggenommen. Da wird auf kurvenreicher Passstraße bei 90 km/h noch gedrängelt und überholt. Geschwindigkeitsbegrenzungen, Überholverbote und doppelte Linien werden nur als Empfehlung gesehen. Und die Polizei fährt in der Regel nicht anders. Dafür ist an den Kontrollpunkten "Papiere gucken" angesagt. Vor ein paar Tagen hampelten auch zwei Polizisten auf der Straße rum und und deuteten auf den Seitenstreifen. Ich hab sie ignoriert und bin einfach weitergefahren. Was wollen die schon in der "Zulassungsbescheinigung I" sehen?

Heute Abend sitze ich in einer Hähnchenbraterei an der Plaza de Armas. Es ist Samstag und die Männer führen ihre Frauen und Kinder zum Essen aus. Hier ist eine gigantische Geräuschkulisse. Wie an einer Schnur gezogen fährt hier ein Mototaxi (TucTuc) nach dem anderen um die Ecke. Und natürlich unter lautem Gehupe. Man muss ja auffallen. Machen nur blöderweise alle ... und auffallen tut mir nur diese verrückte Geräschkulisse. In der Stadt müssen wohl 1.000 oder mehr von diesen Dingern fahren. Im Laden läuft der Fernseher wie immer auf voller Lautstärke, so das die Leute sich laut unterhalten müssen. Irgendeine dämliche Spielshow ala "Spiel ohne Grenzen" mit ein paar Mädchen im knappen Dress. Gucken tut keiner. Wenn man jetzt ausschalten würde, bekämen alle eine "Stilleschock". Für mich und meinen Tinitus ist dieses Land nix. Zu Hause werde ich die erste Gelegenheit nutzen und eine Wanderung durch das Eggegebirge vor der Haustür machen und die Stille im Wald genießen.

(So) 10.05.2015 --- Barranca > Lima
Hühner in der Wüste Es geht nach Süden. Rechts und links der Straße gigantische Sandberge - sonst nichts. Hin und wieder ein paar Hütten, vielleicht 3x3 Meter mit Dach aus Bast oder Stroh. Keine Stromleitung. Keine Satellitenschüssel. Wahrscheinlich auch kein Wasser. Keine Straße. Kein Baum. Kein Grün. Und trotzdem scheinen hier Leute zu "wohnen". Ich komme durch eine größere Stadt mit einer Ansammlung solcher Hütten. Und weit und breit keine Industrie. Das einzige, was man hin und wieder sieht, sind riesige Zeltdächer, ähnlich einem Gewächshaus, und Kornsilos. Vermutlich Hühnerfarmen, denn die Peruaner müssen gigantische Mengen verdrücken. "Pollo ala Brassa" - 1 ganzes Hähnchen mit Zubehör (Pommes, Salat, Nachtisch) und 2 Liter Getränk für 39,- Soles (ca. 12,- Euro). Damit kriegt man die ganze Familie satt. Und wenn Opa und Oma mitkommen, kann man noch ein "Upgrade" dazu kaufen. Noch ein Hähnchen obendrauf ...

3 x Bilder Wueste
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Die "Horrorstadt" kommt näher, der Verkehr wird dichter, die Menge der Busse und Taxen wird höher. Lima macht sich bemerkbar. Bis zu meinem Ziel südlich des Stadtzentrums sind es laut Navi rund 40 Kilometer. Am Ende komme ich nach 2 Stunden in der gebuchten Unterkunft an. Schweißgebadet und fertig mit dem Nerven. Dieser Verkehr ist nichts für Herzkranke und Empfindliche. Ich bin fünfmal von Taxen böse abgedrängt worden. Die stehen seitlich neben einem und kommen immer näher, so dass ich mit den Koffern gegen den Kotflügel fahren und auf der fünfspurigen Autobahn liegen würde und alle hupend um mich herumfahren müssten. Also Notbremse ziehen und den Arsch reinlassen. Ausweichen geht nicht, weil auf der anderen Seite auch schon einer bereit steht.

Einmal hab ich laut geflucht. Die verstehen nicht mal Beleidigungen in Spanisch ... und lachen einen an (und der nächste, der alles gehört hat, hat sich auch noch reingedrängelt). Da kann man nur noch mehr sauer werden. Und mein Spanischkurs war in dieser Hinsicht auch nicht praxisgerecht. Da liebe ich die deutsche (Autofahrer-Beleidigungs-)Kultur. Da ist sofort klar, was gemeint ist, wenn der Mittelfinger plötzlich einen Krampf bekommt, absteht und nach oben gehalten werden muss um den Krampf wieder zu lösen. Gibt's hier einfach nicht. Alle sind hier freundlich und nett zueinander - und fahren wie die letzten ... Ich stelle mir gerade vor, wie so ein kleiner peruanischer Taxifahrer im Sitz verschwinden würde, wenn man mit 200 km/h über eine gut gefüllte deutsche Autobahn fahren würde.

PS: Wer das jetzt alles nicht glaubt - ich hab es auf Film mit der Helmkamera (GoPro Hero). War heute besser vorbereitet als auf der ersten Lima-Durchquerung. Muss ich zu Hause schneiden und wird dann in der Nachbearbeitung hier zu finden sein. Und ich muss mir noch einen neuen Titel für meine Webseite ausdenken. 40.000 Kilometer werden es nicht mehr. Nur wenn ich vielleicht in zwei Jahren Teil 2 der Reise machen kann. Mal sehen.

Es kann nicht schlimmer kommen. Ich wohne heute südlich der Stadt neben Universität und Jesuitenkolleg in einer gut geschützten, "besseren" Wohngegend. Leider gibt's hier nirgends Restaurants. Nur Systemgastronomie. Die üblichen Futterstationen für eine Unigegend. Ich esse notgedrungen einen Hamburger mit Pommes und Inca Cola. Zur Strafe werde ich zu Hause eine Extrarunde "walken". Es ist schon erstaunlich. In jedem Land der Erde unterscheiden sich Bild und "das Objekt", welches in der Verpackung liegt. Wenn man am Tisch ankommt, sind die Minipommes kalt. Man bekommt dreckiges Geld auf die Hand und muss dann mit den Fingern essen. Das ist echte Esskultur! Als wenn sich die Menschheit in tausend Jahren nicht weiterentwickelt hat. Achtet mal drauf: auch im Restaurant essen die meisten Leute die ersten Pommes mit den Fingern. Und "das Objekt" schmeckt überall gleich. Ist ja auch ein Weltkonzern. Könnte jetzt einen Fernet Branca vertragen. Das erste Mal nach vier Monaten habe ich das Verlangen nach so einem Aufräumer. Im Hotel angekommen, Zimmer aufgeschlossen, Licht an: Da sitzt sie ... Die erste (sichtbare) Kakerlake im Zimmer. Ziemlich fett. Bevor sie sich aus dem Staub macht, befördert ein gezielter Tritt meinen Untermieter nach draußen. Da bleibst du heute Nacht! Jetzt ist mir schlecht ...

Draußen steht ein Pickup auf der Straße. In schöner Regelmäßigkeit geht seine Alarmanlage an. Heute Nachmittag in einer Stunde etwa 15 Mal. Immer wenn ein Auto vorbeifährt, dass "Vibrationen" zum Beispiel durch einen kaputten Auspuff erzeugt. Und defekte Abgasanlagen hat hier fast jeder. Neben einer Harley Davidson Vertretung wäre in einer Stunde wenigstens Ruhe, weil die Batterie leer wäre. Das Gehupe scheint hier keinen zu stören oder zu interessieren. In Deutschland wäre ich schon unter das Auto gekrabbelt und hätte das Kabel zum Lautsprecher gekappt. Aber da hier immer irgendwo eine Autoalarmanlage am Hupen ist, kümmert sich keiner darum. Also sind die Dinger sinnlos und tragen nur zur allgemeinen Geräuschkulisse bei.

(Mo) 11.05.2015 --- Lima > Ica > Oase Huacachina
Heute langweilige 290 Kilometer. Zum Start nochmal 25 Kilometern aus Lima auf der Panamericana raus. Geht heute. Später verläuft die Autobahn in Pazifiknähe. Dort ist es ziemlich anstrengend zu fahren. Boeiger Wind vom Pazifik (meist von vorne), Diesig, Feucht, Staub. Durch das Helmvisier kann man nach einer halben Stunde kaum noch gucken. Aber fürs Auge gibt es eh nix zu sehen. Kein Baum, kein Strauch, hin und wieder eine Einfach-Hütte. Kein Laden, keine Straße, keine Infrastruktur. Nur viele Hühnerfarmen. Das hier Leute leben, ist für mich immer noch ein Rätsel.

Am Nachmittag komme ich in der Oase Huacachina an. Hier ist echte Sandwüste. Riesige Dünen, mehrere 100 Meter hoch. Mittendrin ein See, ein paar Palmen und mein vorher ausgesuchtes Hotel. In den Dünen fahren lautstark alte Amitrucks, auf deren Fahrgestell ein Rohrrahmen und ein paar Sitze montiert werden. Man kann Boards mieten und damit Sandboarding machen. Sieht ziemlich flott aus.

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Quelle: Google Maps

3 x Bilder Oase
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(Di) 12.05.2015 --- Oase Huacachina > Nasca
Heute nur ein kurzes Stück. Nasca brauche ich als Anlauf für die nächsten 400 oder 500 Kilometer durch die Wüste. Ich quartiere mich nochmal im gleichen Hotel wie auf der Hinfahrt ein. In dem Hotel hat Maria Reiche bis zuletzt gewohnt, die Frau die vierzig Jahre die Nasca Linien erforscht hat. Ihr zu Ehren wurde das Zimmer, in dem sie gewohnt hat, verschlossen und wird seitdem nicht mehr als Hotelzimmer genutzt. Auf dem Gelände befindet sich auch das Maria Reiche Planetarium mit einer interessanten Vorstellung. Auf dem Parkplatz stehen heute rund fünfzehn neue BMW eines großen Deutschen Veranstalters und ein Begleitfahrzeug. Die Teilnehmer werden bestimmt über 6.000,- Euro für zwei Wochen bezahlen. Dafür muss man sich um nix kümmern. Wenn Zeit und Urlaub knapp sind, ist das vielleicht eine Alternative. (Ich habe auf der Webseite geguckt: 11.270,- US$ für 15 Tage, Einzelfahrer auf BMW R1200 GS, Einzelzimmer und Frühstück, ohne Flug)

(Mi) 13.05.2015 --- Nasca.
Habe noch einen Tag angehängt. Nochmal das "Fremde" genießen, bevor es wieder in den deutschen Alltag mit seinen Aufgaben, Problemen und Sorgen geht. Ich habe hier zwar auch einen Tagesablauf und muss mich um alltägliche Dinge wie Wäsche waschen, Routenplanung oder Unterkunft und Essen kümmern. Aber da das eben zur Reise gehört, belastet es nicht. Ich bin es seit vielen Jahren gewohnt, so wie jetzt zu Reisen und habe damit viele Eindrücke und Erlebnisse sammeln können. Ich könnte mich keine Stunde an einen Strand legen; das wäre für mich Stress und wenig Erholsam. Dann lieber durch eine Stadt bummeln, sich im Park auf eine Bank setzen und Einheimische beobachten. Ich habe die letzten Wochen manchmal geflucht über den Verkehr oder den Dreck. Aber man wird auch gelassener und nimmt manches eben hin. Es muss nicht immer alles perfekt sein. Aber auch hier klappt letztendlich alles, man ist zuverlässig und pünktlich und liefert ... es wird nur anders angegangen. Ich hoffe für mich, dass ich diese Ruhe mit nach Hause nehmen kann.

(Do) 14.05.2015 --- Nasca.
Konnte mich auch heute nicht aufraffen, habe mich nach dem Frühstück mit meinem Reiseführer in den Garten gesetzt und bin nicht mehr aufgestanden. Sonst war nicht besonderes. Oder doch ... Um 13:33 hat es ein Erdbeben gegeben! Zwei Erdstösse von jeweils zwei Sekunden, Stärke 4,9 vor der peruanischen Küste (Kann man später auf einem Erdbebenmonitor sehen). Neben mir stand plötzlich leichenblass eine der Hotelangestellten. Sie muss in Panik aus dem Zimmer gelaufen sein. Ist schon ein komisches Gefühl, wenn sich der Boden bewegt.

(Fr) 15.05.2015 --- Nasca > Camana
Heute bin ich 120 Tage unterwegs. Solange war ich auch noch nie auf Reisen. Aber es stellt sich auch ein Gefühl von Freiheit ein, einmal ohne Zwänge und Verpflichtungen in den Tag hinein zu leben. Besonders die letzten Tagen wirken befreiend auf mich, da ich jetzt (theoretisch) Zeit bis September hätte, hier in Südamerika herum zu Fahren.

400 Kilometer durch die Wüste. Langsam wird es langweilig. So ähnlich wie die dreitausend Kilometer von Ushuaia nach Buenos Aires auf der Ruta 3. Sie Straße führt mich aus Nasca heraus und verläuft nach ca 60 Kilometern direkt am Pazifik. Von See weht eine "steife Brise", natürlich von rechts vorne. Nach einer halben Stunden schmerzt schon der Nacken. Und ich habe noch reichlich Stunden vor mir. Das Visier ist nach kurzer Zeit von der Gischt verschmutzt und man fährt wie im Nebel. Zeitweise muss man alle 20 Minuten zum Reinigen anhalten. Über die Fahrbahn wird in Bodennähe reichlich Sand geblasen. Auf der Strecke sind viele Könige unterwegs - jedenfalls fahren sie so. Fast ausschließlich große amerikanische Trucks, die bergab auch schon mal mit 120 km/h überholen. Dafür kommen sie mit ihren 500 PS kaum die Steigungen hoch. Und jeder noch so geringe Geschwindigkeitsunterschied wird sofort für ein Überholmanöver genutzt. Ich fahre üblicherweise am Tag mit Fernlicht und habe oft auch noch zwei Zusatzscheinwerfer mit je 55 Watt an, um anzuzeigen, das da kein Moped kommt. Auf der Strecke bin ich rund 10 mal von entgegenkommenden, überholenden Trucks auf den Randstreifen gedrängt worden, zweimal musste ich bis ins ABS eine Vollbremsung machen. Und der Randstreifen hat meist einen mehrere Zentimeter tiefen Absatz, über den man Fährt und ins Schlingern gerät ... oder es geht einen Meter weiter rechts hundert Meter tief in den Abgrund oder in den Pazifik. Ohne Leitplanke. Die brechen nur dann ihren Überholvorgang ab, wenn etwas gleichwertiges entgegen kommt. Für Motorradfahrer ist dieses Land lebensgefährlich, denn man steht in der Hackordnung ziemlich weit unten.

Meine Kette macht mir Sorgen. Ich kontrolliere täglich die Kettenspannung. Heute hat sich das Spiel während des Tages um 1 cm verändert. Also Werkzeug raus und nachstellen. Einige O-Ringe sind auch kaputt. Ich verstehe nicht, warum man nicht mit Zahnriemen statt mit Kette arbeitet. So entstehen unnötige Kosten, weil die Kette in Staub, Dreck und Nässe laufen muss. Ich hoffe, das ich damit noch 3.000 Kilometern bis Valparaiso schaffe, denn unterwegs wird es wohl kaum eine Werkstatt geben, die so eine Kette auf Lager hat.

(Sa) 16.05.2015 --- Camana > Arequipa
Die Straße führt kurvenreich wieder auf eine Hochebene. Ich fahre über eine Kuppe und plötzlich ist alles grün. Landwirtschaft überall. Die Millionenstadt Arequipa muss versorgt werden. Im Hintergrund tauchen wieder die schneebedeckten Gipfel der Anden auf. Auf der Strecke die üblichen Überhol manöver, aber diesmal werden einige Pkw und Pickup abgedrängt. Ich habe es heute nicht eilig und halte mich zurück. Muss ich mich auch nicht über die Trucks und deren Fahrer ärgern.

Unterwegs sind die Straßenränder mit großen Steinen und Glassplittern übersäht. Hunderte von runden Brandflecken auf der Fahrbahn und das verkohlte Stahlgewebe deuten auf angezündete Reifen hin. In manchen Orten wird noch aufgeräumt. Hier muss es gestern oder vorgestern gewalttätige Proteste gegeben haben. In der Tageszeitung gestern war auf der Titelseite ein Bericht über Polizeigewalt. Ich mache noch eine kurze Pause, bevor ich mich in den Grosstadtverkehr stürze. Das Hotel liegt etwas nördlich der Altstadt ziemlich ruhig in einem großen Gartenareal. Ich finde mit einiger Mühe den Hintereingang, um das Motorrad wegzuparken.

Fast alle Hotels hatten bisher einen geschützten oder bewachten Parkplatz. So bleibt es mir erspart, die zweite Tasche (mit Stahlseil und Schloss eher "optisch" gegen den schnellen Zugriff gesichert), das Zelt (ist auf einen Koffer geschnallt) oder die je rund 20 Kilo schweren Motorradkoffer selbst ins Hotel zu schleppen. In den Koffern sind Werkzeug und Ersatzteile, Campingkocher, Geschirr und Besteck, Notfall-Nudeln und Tomatensosse, Notebook und die Kameras mit Objektiven, Ladegeräte, Zusatzakku fürs Handy, Medikamente für 8 Monate, Thermosflasche, Stative, Reiseführer und mindestens drei Flaschen Bier für den Notfall in der Wüste oder den Notfall am Abend. Alleine die Olympus Kamera und die Objektive haben einen Wert von 5.000,- Euro, bleiben aber in der Regel über Nacht im Koffer. Man hatte mir zum Start Horrorgeschichten erzählt, bisher hat aber niemand irgendetwas angerührt. Das Interesse gilt in der Regel dem Motorrad. Häufig werde ich gefragt, was es kostet und die genannten 4.000,- ´Dollares Americanos´ lösen dann Erstaunen aus. Das ist für viele eine unvorstellbar große Summe, die sie niemals im Leben besitzen werden. Damit kann man sich als Existenzgrundlage zum Beispiel ein Mototaxi kaufen. Vor ein paar Tagen habe ich mein Motorrad waschen lassen. Erst mit Hochdruckreiniger, dann mit Shampoo von Hand, Spülen, Trocknen und Lackpflege. 2 Personen. Rund 30 Minuten. Hat 5,- Soles gekostet (1,40 Euro). Da bekommt man ein schlechtes Gewissen. (Ich hab natürlich mehr gegeben).

3 x Bilder Motorradwaesche
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Am Nachmittag sehe ich Arequipa noch Proteste von Kleinbauern gegen die vor der Stadt liegende Mine und deren Umweltverschmutzung. Der Bereich ist mit blutigen T-Shirts und Hülsen von Tränengasgranaten "geschmückt". Auf der Plaza de Armas hat es vor ein paar Tagen gewaltsame Proteste gegen eine geplante Kupfermine gegeben. Dabei hat es zwei Tote gegeben. Die Kupfermine wurde ohne Anhörung der Bauern von der Regierung genehmigt, der jetzt Korruption unterstellt wird. Die Bauern haben im Tal Felder zur Versorgung der Millionenstadt Arequipa und befürchten schwere Umweltschäden, Umweltverschmutzung und Wasserknappheit. Es hatte auch Strassenblockaden gegeben, von denen ich noch die Reste (Steine und verbrannte Autoreifen) auf der Hinfahrt gesehen habe. Brücken und Kreuzungen werden zur Zeit von Polizei und Militär freigehalten. Zur Zeit ist Ruhe. Zwischenzeitlich habe ich dazu sogar in der deutschen Presse Artikel gefunden:

TAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Euronews

Pro und Contra Campen   Einen Riesenfehler habe ich gemacht, das ich unsere Campingausrüstung mitgenommen habe. Ist Gewicht, ist Diebstahl gefährdet, beschränkt meinen Sitzplatz auf dem Motorrad und ist - außer für einen Notfall - völlig sinnlos. Wenn man die Webseiten anderer Motorradreisender liest, glaubt man, das nur ein Zelt den gewünschten Erholungswert bringt und ein Motorradfahrer unbedingt Zelten muss. Ich bin nicht unbedingt ein Freund vom Campen, es geht aber, wenn Wetter und Infrastruktur passen. Hier in Südamerika braucht man kein Zelt. Überall bekommt man - wenn es sein muss auch billig - ein Zimmer oder im Notfall sogar ein Bett in einem Gemeinschaftszimmer. Dusche, Frühstück und sicherer Parkplatz eingeschlossen. Und das ganze direkt in der Innenstadt. Ich hätte beim Zelten als Alleinreisender das Problem mit den Sachen, die man mit hat. Wertsachen kann man vielleicht noch in den Motorradkoffern einschließen, aber deren Kapazität ist begrenzt. Und was macht man mit der Motorradbekleidung. Jacke, Hose, Helm wären für einen Dieb ja auch Interessant. Und was nimmt man mit, wenn man den Zeltplatz verlässt? Sei es zur Toilette oder Dusche oder für einen Gang in die Stadt. Fragen, die ich vorher nicht richtig bedacht habe.

Mehrere Leute hatten mir auch unabhängig voneinander erzählt, das ein Campingplatz gerne für Familienfeiern genutzt wird. Man trifft sich dort, baut Grill, Musikanlage und Fernseher auf und macht bis zum frühen Morgen durch. Klasse ... Ich persönlich würde jedem empfehlen, auf Camping zu verzichten und damit etwas weniger Ballast mitzuschleppen. Zeltplätze liegen normalerweise außerhalb und man bekommt viele Eindrücke vom Leben der Menschen erst in der Stadt mit. Mein erster Gang in jeder Stadt führt mich deshalb in der Regel auf den zentralen Platz (Meist: Plaza de Armas). Und wer meint, aus Kostengründen hier in Südamerika zelten zu müssen, ist hier generell falsch. Sich billig über die Runden schlagen funktioniert hier nicht. Das Preisniveau ist z.B. in Chile durchaus auf deutschem Niveau, in Argentinien eher noch darüber (1,2 bis 1,5 teurer), nur Bolivien und Peru habe ich als günstig empfunden. Ich bin bisher mit meiner Auswahl von Hotels, Hostals, Hosterias etc. gut gefahren. Für die günstigste Übernachtung habe ich 11,80 Euro bezahlt (nicht mal schlecht und ein eigenes Bad und sicheres Parken im Laden), die Teuerste hat allerdings auch 145,- US Dollar (Touristennepp) gekostet. Im Schnitt bin ich so mit 50,- US Dollar ausgekommen. Und alle immer durchgehend sauber, mit frischer Bettwäsche und Handtüchern. Beim Frühstück muss man allerdings fast überall Abstriche machen. Pulverkaffee und grauenhafte Brötchen in Chile, Marmelade, Kochschinken und geschmacksfreier Schnittkäse zum Toast in fast allen Ländern. Nur in Brasilien gab es fast immer frisches Obst, im Süden von Chile hab ich dafür wochenlang weder Obst noch Gemüse gesehen. Und gekühlt wird hier in Peru weder Fleisch, Huhn oder Fisch sondern nur Cola und Bier.

(So) 17.05.2015 --- Arequipa.
Heute und Morgen noch die letzten Ruhetage, bevor der Endspurt nach Valparaiso erfolgt. Noch mehr als 2.000 Kilometer, meist durch die Wüste. Ist jetzt noch eine Überlegung, ob ich einen letzten Abstecher nach San Pedro de Atacama in die Atacama-Wüste mache - sie gilt als trockenster Ort der Welt - oder geradeaus weiter nach Süden fahre. Werde ich wohl spontan am Abzweig entscheiden. Die Mumien aus der Wüste werden seit einigen Monaten nicht mehr ausgestellt, um nicht weiter die Gefühle der Indigenen Bevölkerung zu verletzen.

(Mo) 18.05.2015 - (Fr) 22.05.2015 --- Arequipa.
"Urlaub vom Urlaub"   Ich hänge noch einen Tag dran ... und noch einen ... Ich habe ein schönes Hotel mit einem grossen Zimmer, einen riesiger Garten und Pool vor dem Balkon, himmlische Ruhe in der hektischen Großstadt und das Ganze zu einem annehmbaren Preis. Einfach mal nix tun, lesen, in der Sonne sitzen, durch die Stadt bummeln, im Cafe sitzen, ... Die ganze "Last" des Weiterfahrens ist erst mal weg.

3 x Bilder Hotel
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Habe heute (Mittwoch) habe ich den ganzen Tag im Kloster Santa Catalina de Siena in der Altstadt von Arequipa verbracht. Gegründet wurde es im Jahre 1579, 39 Jahre nach der Stadtgründung durch die Spanier. Gebaut aus Vulkangestein (Sillar) mit den Baustilen mehrerer Jahrhunderte und einer Vermischung von spanischen und eingeborenen Elementen.

Das Kloster hat eine von einer hohen und dicken Mauer umschlossene Fläche von 20.000 Quadratmetern im Stadtzentrum von Arequipa. Zeitweise lebten hier bis zu 150 Nonnen und 300 Bedienstete, die in dieser "Stadt in der Stadt" ihr privates Zimmer hatten, das die (wohlhabende) Familie bauen oder kaufen musste. Zusätzlich musste die Familie eine Mitgift von 2.400 Silbermünzen zahlen und weitere Gegenstände (Bilder, Statuen etc.) übergeben. Die Räume sind noch heute mit Bett, Schrank und Sitzgelegenheit ausgestattet. Man hat viele Einrichtungsgegenstände, meist Geschirr aus der jeweiligen Zeit zusammengetragen, um die Räume auszustatten. Nicht fehlen darf natürlich die religiöse Dekoration in Form von Bibeln, Heiligenfiguren und Kreuzen. Gemälde aus den Jahrhunderten (rund 400) und wertvolle sakrale Gegenstände, meist aus Silber, sind in der Pinakothek zusammengetragen. Auf dem Gelände gibt es einen getrennten Bereich für Novizinnen, Sprechzimmer für Besucher (getrennt mit Holzgittern), Beichtstuhl in der Wand zur Kirche, einen abgetrennten Chor in der Klosterkirche, Küche und Backstube, Gärten und Friedhof, Waschhaus, mehrere nach Spanischen Städten benannte Straßen, lichtdurchflutete Arkaden und Kreuzgänge.

3 x Bilder Kloster
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Das Kloster wurde nach den schweren Erdbeben von 1958 und 1960 restauriert und nach fast vierhundert Jahren der Abgeschlossenheit im Jahre 1970 für das Publikum geöffnet. Noch heute wird ein Viertel der Fläche als aktives Kloster für rund 20 Nonnen genutzt. Ein absolut lohnenswertes Ziel, das eine besondere Ruhe ausstrahlt und für den Fotografen viele Motive bereithält.

Irgendwie hat sich diese Ruhe ausgewirkt, denn die letzten Tage waren sehr erholsam. Das Hotel mit seiner schönen Gartenanlage und seinen Sitzgruppen und Liegestühlen laden zum Entspannen ein. Der nicht mehr vorhandene Zeitdruck hat mich in den letzten Tagen zur Ruhe kommen lassen und ich scheue mich im Augenblick, weiter zu fahren. So habe ich bisher an jedem Abend um eine weitere Nacht verlängert.

(Sa) 23.05.2015 --- Arequipa - Chivay.
Heute und Morgen mache ich einen Zweitagesausflug nach Chivay, ca. 160 Kilometer nordwestlich von Arequipa in den Anden:

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Quelle: Google Maps

Dort ist der zweittiefste Canyon weltweit mir einer Tiefe von 3.269 Metern (der Grand Canyon ist nur 1.800 Meter tief). Die Straße steigt in die kahle Hochebene auf. Auf ihrem höchsten Punkt erreicht man an der "Cordillera Volcanico" 4.910 Meter. Damit ist das der höchste asphaltierte Pass in Südamerika. Nur mal zum Vergleich: Stilfserjoch (Schönste Passstrasse der Alpen) 2.758 Meter. Zugspitze 2.962 Meter. Matterhorn 4.478 Meter. Mont Blanc 4.810 Meter.

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Der höchste Pass Südamerikas: Cordillera Volcanico zwischen Arequipa und Chivay (4.910 Meter)


Rundum liegen schneebedeckte Vulkane mit Hohen von 6.000 Metern. Einer ist ein bisschen am Rauchen. Von der Höhenstrasse geht es langsam in den Colca Canyon herunter. Gegen 16:00 Uhr komme ich in Chivay an. Das Gebiet im Tal ist selbstverwaltet. Am Ortseingang muss ich eine Tourismusabgabe zahlen. 70,- Soles (20,- Euro) für das Gebiet des Colca Canyon. Für Einheimische natürlich wesentlich billiger.

In Chivay beziehe ich mein gebuchtes Hostal. Ziemlich enttäuschend (nach den angenehmen Tagen in Arequipa). Chivay liegt auf 3.600 Meter. Schon bei der Anfahrt und auf dem Pass würde es deutlich kühler. Das Zimmer ist ausgekühlt und man stellt mir einen Radiator ins Zimmer. Hätte man drei Stunden eher machen können! Nur die heiße Dusche wärmt kurzfristig.

Ich mache einen kleinen Stadtbummel. Die Bevölkerung ist ausschließlich Indigen. Auf dem Markt die üblichen Stände und Imbissbuden. Damit verdienen manche Frauen wahrscheinlich den Unterhalt für die ganze Familie. Die Imbissstände sind auf Rollen befestigte Gasherde, darüber ein Dach, auf denen gekocht und gebraten wird. Davor wird ein Tisch und eine Bank gestellt und dann erfolgt das Showkochen. Ein Gericht kostet 8,- bis 10,- Soles (2,50 bis 3,- Euro). Und die Konkurrenz steht rechts und links.

3 x Bilder Imbiss Chivay
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Um 18:00 Uhr kommt unter lauter "Knüppelmusik" eine Umzug mit Kindern in Trachten auf dem Hauptplatz an. Es sind Schüler der verschiedenen Grundschulklassen, die Tanzvorführungen vor dem Rathaus machen. Nicht immer ganz perfekt, dafür ist der Jubel und das Klatschen der Eltern umso heftiger. Leider ist es schon dunkel, deshalb fällt Fotografieren aus.

Am Abend wird es richtig kalt. Im Restaurant sind etwa 10 Grad, draußen um 0 Grad. Das Besteck ist eiskalt und das Essen ist auch nur Lauwarm. Nur das Bier hat die richtige Temperatur ... aber Glühbier wäre jetzt eher das richtige. Vielleicht hole ich mir heute Abend meinen Winterschlafsack aus meiner Campingrolle.

(So) 24.05.2015 --- Chivay [Colca Canyon].
Ich bummle heute mit dem Motorrad durch das Tal. Rechts und links der Straße kleine Felder, manchmal ein Esel oder Kühe. Die Felder sind teilweise auf Terrassen angelegt, die schon viele Jahrhunderte alt sind. Ich mache Stopps in verschiedenen kleinen Dörfern. Die Bevölkerung ist hier ausschließlich Indigen und die Hälfte der Menschen trägt traditionelle Tracht und dazu einen besonderen bestickten, weißen Hut. Über eines der Dörfer (Maca) fallen die Touristenbusse her. Man kann wieder mit einem Lama schmusen ... "Picture Amigo?". Zwei Leute haben auch einen Adler für das "Picture". Schade um die schönen Tiere. Aber solange Touristen dafür etwas bezahlen oder der Staat das nicht verbietet, nimmt diese Zurschaustellung der Tiere kein Ende. In einem anderen Dorf (Ichupampa) sitze ich auf einer Bank am Hauptplatz, als gerade eine Versammlung der Bewohner beendet wird. Viele in Tracht, schlendern sie langsam nach Hause. Jeder hat einen Holzschemel unter dem Arm. Dieser Sonntag strahlt eine besondere Ruhe aus. Nur einer Arbeitet: der Vulkan im Hintergrund ist kräftig am Rauchen.

3 x Bilder Colca Canyon
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(Mo) 25.05.2015 --- Chivay > Arequipa.
Fünf Uhr! Was ist das für ein Krach? Ein Kirchenlied erschallt ... Übertragen auf die Lautsprecheranlage auf dem Hauptplatz ... und ich habe das beste Zimmer mit Blick auf den Platz, der nur Hundert Meter entfernt liegt. Danach folgt ein Gebet. Rund eine Stunde lang eintöniger Singsang. Vorgebetet von einer Frau, im Chor sprechen andere das Gebet nach. Das Ganze bis Sechs Uhr! Für ein paar Minuten herrscht Ruhe, bevor Frauen ihre fahrbaren Imbissstände die Strasse vor dem Hotel hinunterschieben. Vorbei mit der Nachtruhe ...

Ich ziehe mich heute warm an, denn Draussen (und auch im Hotelzimmer) sind nur 12 Grad. Es geht wieder über die gleiche Passstrasse zurück nach Arequipa, wo ich noch ein paar Tage im gleichen Hotel wie in der letzten Woche verbringen werde, bevor meine Rückfahrt beginnt.

Die Strasse geht auf halber Strecke in die Hauptverbindung zwischen Puno, Cusco und Arequipa über. Auf der Strecke sind viele Kleinbusse ("Service Turistico") vom Typ Mercedes Sprinter unterwegs. Sie liefern sich auf der engen und kurvenreichen Strasse wahnwitzige Überholmanöver. In etwa 300 Meter Entfernung kommt über eine Kuppe ein amerikanischer Truck, dahinter zuckt bereits nervös ein Kleinbus herum und will zum Überholen ansetzen. Ich weiss, was jetzt kommt und schalte meine Zusatzscheinwerfer an und bin bremsbereit. Und natürlich überholt der Kleinbus. Aber der Truck kann jetzt bergab auch beschleunigen, und so kommen beide nebeneinander mit etwa 100 km/h auf mich zu. Diesmal habe ich aber keinen Seitenstreifen zum Ausweichen. Vollbremsung. Der Kleinbus schert etwa 20 Meter vor mir ein. Das war extrem knapp und für mich mal wieder lebensgefährlich. Der Busfahrer bekommt noch meinen Mittelfinger zu sehen, grinst (... ist doch nix passiert, warum regt der sich so auf ...) und mir zittern die Knie. Gut, das ich kein Blutdruckmessgerät dabei habe. Nur das Nitrospray ist immer griffbereit in der Tasche.

Busfahren zwischen den Städten ist sehr günstig und bequem, ich würde mir das aber überlegen, da einzusteigen. Und diese Raserei bringt überhaupt nichts, und dient wohl ausschließlich der Befriedigung des Busfahrers. Erst vor ein paar Tagen habe ich einen Doppeldecker auf der Seite liegend gesehen. Natürliche Auslese ... leider trifft es auch die Fahrgäste.

(Di) 26.05.2015 - (Mi) 27.05.2015 --- Arequipa.
Heute passiert nix ... ich sitze im Hotelgarten, bearbeite diese Webseite und geniesse die Ruhe. Am Abend geht es zum letzten Mal in mein ´Stamm´-Restaurant. Vorweg einen "Pisco Sour" (Pisco-Schnaps, Limettensaft und geschlagenes Eiweiß), dann ein schönes Stück Fleisch vom Grill für umgerechnet 12,- Euro inkl. Ensalada und Patatas. Als Favorit hat sich Alpaca-Filet herausgestellt. Mager, Saftig, Hell, etwas Süßlich. Muss demnächst mal beim Fleischer meines Vertrauens fragen ... oder nach Meerschweinchen ... wenn der Laden voll ist :-)

(Do) 28.05.2015 --- Arequipa > Tacna.
Warum man Mautstellen nicht umfahren kann (aber die Polizei den Schleichweg kennt)   Heute Morgen bin ich früh in Arequipa gestartet. Im Hotel wurde ich herzlich verabschiedet, denn insgesamt habe ich dort zehn Tage verbracht. Für 62,- US$ hatte ich eine Juniorsuite mit Balkon und die Möglichkeit, den sehr gepflegten Garten mit all seinen Sitzgelegenheiten zu nutzen. Ich komme heute zügig aus der Stadt und auf die "Panamericana". Es folgt ein langsamer Abstieg und die Straße geht teilweise schnurgeradeaus bis zum Horizont durch die Wüste. Es ist ein grandiosen Farbenspiel mit allen Nuancen von Braun bis Rot. Daneben gibt es immer wieder Färbungen von Mineralien mit Blau- und Grüntönen. Links am Horizont erstreckten sich die Anden mit ihren schneebedeckten Gipfeln, rechts kommt teilweise Nebel vom Pazifik hoch. Die Strecke - Hauptverbindungsstrasse in den Süden - ist erstaunlich leer. Eigentlich überhole ich nur einen einzigen LKW und es sind nur wenige PKW unterwegs. Auf halber Strecke zum Ziel muss ich über eine Brücke fahren. Am Straßenrand wartet eine Hundertschaft Polizei mit Schilden, Schienbeinschützern, Helm und Schlagstock. Auf der Brücke sind rund dreißig Soldaten mit Maschinenpistole vor der Brust postiert. Ok ... Hatte ich ja schon auf der Fahrt nach Arequipa gesehen. Ich fahre langsam über die Brücke und hoffe, dass keiner Nervös wird. Kurz darauf komme ich an einer Kaserne vorbei. Vor dem Haupttor stehen mehrere Schützenpanzer mit Besatzung. Ich grüße mit Winken ... und mein Gruß wird erwidert. Natürlich ist Filmen und Fotografieren weiträumig mit riesigen Schildern verboten. Die Helmkamera läuft ...

Jetzt weiß ich, wo die ganzen LKW stehen: an einem Restaurant kurz vor Moquegua. Dann taucht eine Kontrollstelle für Lebensmittel auf (die nicht über die Provinzgrenzen mitgenommen werden dürfen). Die Beamten sitzen ziemlich entspannt mit Stühlen auf der Strasse und winken mich durch. In zwei Kilometern gibt es eine Mautstation, die ich als Motorradfahrer immer ohne Bezahlen passieren darf. Auch hier werde ich wie immer schon von weitem auf die Motorradspur eingewiesen und durchgesunken. Wie immer steht auch Polizei an solch einer Mautstation. In der Ferne taucht eine Brücke auf, auf der eine Menschenmenge steht. Ich werde von einem Polizisten angehalten. Verstehen tu ich nix. Aber die Situation ist Eindeutig: Demonstration. Ich werde zurück geschickt. Nur ... da ist nichts. Es gibt keine Ausweichmöglichkeit. Geschickt und Strategisch von den Organisatoren sehr gut ausgewählt.

Ich fahre zur Mautstation zurück. Eine andere Polizeieinheit steht dort. Ich versuche zu fragen, was los ist und wie lange es dauert. Es sind wieder die Proteste gegen die Kupfermine "Tia Maria", die schon vor 14 Tagen gewalttätige Proteste mit Toten zur Folge hatten. Der Polizist meint, das sie Sperrung bis etwa 16:00 Uhr dauert, also noch gute vier Stunden. Dann kommt ein Polizist einer lokalen Einheit hinzu und ich höre, wie man sich über eine Ausweichmöglichkeit für den "Deutschen auf dem Moto" unterhält. Der lokale Polizist kennt eine Ausweichstrecke um die Mautstation und die blockierte Brücke herum, die aber nur für geländegängige Fahrzeuge oder Motorräder geht. Mit Polizeieskorte werde ich jetzt etwa drei Kilometer zurück begleitet, der Polizist deutet auf eine "Sandpiste" und malt mir auf einem Blatt Papier den Weg zur nächsten Brücke auf. Begeistert bin ich nicht ... und ich bleibe auf dem nächsten Kilometer dreimal im feinen Sand stecken. Eingegraben. Ich komme mit viel Mühe wieder frei. Es riecht nach Gummi und Kupplung, um mich herum eine riesige Staubwolke. Und das mit der angegriffenen Kette.

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Handgemalte Umleitungskarte der örtlichen Polizei


Später wird die Piste "besser" und ich fahre rund dreißig Minuten auf der Wartungsstrecke für eine Stromtrasse, die mich zum Ort und zu einer anderen Brücke führt. Danach bin ich wieder auf der Panamericana und habe die Demo umfahren. Auf dieser Seite der blockierten Brücke steht eine Hundertschaft in Kampfanzug und mit Schilden bereit. Ich habe jetzt schon mehrere Demos gesehen. Sie richten sich indirekt auch immer gegen die Polizei, denn sie verkörpert in diesem Land die Staatsmacht. Und eine Demo kann schnell kippen und in Gewalt gegen die Polizei und Sachen umschlagen. Bisher bin ich in allen Ländern immer zuvorkommend und ausgesprochen höflich von der Polizei behandelt worden. Man war immer hilfsbereit und hat mir sogar einmal den Verkehr angehalten, damit ich mich einordnen konnte ( ... quasi dem Alten Sack über die Straße geholfen).

Die letzten 150 Kilometer nach Tacna kann ich zügig abspulen, denn noch immer sind keine anderen Fahrzeuge unterwegs. Als ich in die peruanische Grenzstadt zu Chile komme, sehe ich viele große Steine, abgerissene Schilder, Müll, Ziegelsteine, Bordsteinkanten und ähnliches auf der Straße liegen. Ich umfahre einige Hindernisse. Auch hier muss es wohl Proteste gegeben haben. In der Stadt ist kein Auto unterwegs und alle Läden sind mit Rollgittern oder Stahljalousien verrammelt. Ich taste mich vorsichtig Richtung Hotel. Neben mir hält ein Mopedfahrer und fragt, ob er helfen kann und empfiehlt mir sein Hostal. Außerdem sagt er, das ich vorsichtig sein soll wegen der Krawalle. Ich finde mein Hotel, Dusche mich und traue mich später in die Stadt. Jetzt ist alles ruhig und ein paar Geschäfte und Restaurants habe wieder geöffnet. Muss ich heute doch nicht hungern.

(Fr) 29.05.2015 --- Tacna > Arica.
Nachtrag zu gestern: die Regierung hat den Ausnahmezustand ausgerufen und das Militär angewiesen, Ruhe gegebenenfalls auch mit Waffen wieder herzustellen. Deshalb gestern auch die bewaffneten Soldaten auf der ersten Brücke und die Panzer vor der Kaserne. Befremdliche Situationen, dass die Regierung Militär im eigenen Land gegen die Bevölkerung einsetzt. Aber sie Fronten scheinen verhärtet und die Regierung will die Genehmigung der Kupfermine nicht zurück nehmen. Deshalb gestern wieder Proteste und Streik.

Gestern Abend hat es angefangen, leicht zu regnen. Heute Morgen ist immer noch alles Nass, das Motorrad auf seinem Abstellplatz zugesaut, und ich muss in die Regenkombi. Wenn bei trockenem Wetter alles staubig und voll Müll ist, so stehen jetzt riesige und tiefe Pfützen mit Müll auf der Straße. Einige Taxen verschwinden bis zur Reifenmitte in diesen Schlammlöchern. Normalerweise fahren die Taxen schön langsam auf der Suche nach Fahrgästen. Heute machen die Schlammlöcher aber richtig Spaß wenn es ordentlich spritzt. Ich taste mich gerade vorsichtig durch eine tiefe Pfütze, als rechts und links zwei Taxen angekommen. Natürlich mit der in Peru herrschenden Vorsicht, Rücksicht und defensiven Fahrweise. "Caraculo" ("Vielen Dank") verstehen sie anscheinend auch nicht. Motorrad und Fahrer könnten jetzt eine Dusche gebrauchen.

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Bildergalerie Nr. 18: Peru
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© 2015 Peter Martin, Paderborn